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Die Bibliothek der verlorenen Bücher

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Titel: Die Bibliothek der verlorenen Bücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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kleinen Lustanwandlungen und schütze das wenige Schöne in seinem Leben, das gar so bald im grünen Sog der Gezeiten versinken wird.«
       Lowry konnte nach seinen Erfahrungen als Schiffsstewart zumindest behaupten, er habe »das Geräusch des Meeres in fremden Gewässern vernommen«. Mit diesem Zitat aus Conrad Aikens »Blue Voyage« versuchte er die Sympathie des älteren Kollegen zu gewinnen, nicht zuletzt in der Hoffnung, dieser würde seinen Erstling »Ultramarin« eher als Hommage denn als Plagiat verstehen.
    1932 verkaufte Lowry das Manuskript seines ersten Romans an einen Londoner Verlag. Der Lektor von Jonathan Cape Ltd. wollte den Text zur Durchsicht mit nach Hause nehmen, packte das Material in seine
    Aktentasche, die er wie immer auf den Rücksitz seines Wagens legte. Da er etwas im Büro vergessen hatte, musste er noch einmal umkehren. Er war nur kurze Zeit fort gewesen, doch als er sich in sein Auto setzte und die Papiere, die er von seinem Schreibtisch geholt hatte, in seine Tasche stecken wollte, sah er mit Schrecken, dass der Rücksitz leer war. Jemand hatte die Tasche gestohlen! Doch das Wertvollste, was sie enthielt, war ein dickes Bündel Manuskriptblätter. Ihr neuer Besitzer wird sein Pech verflucht haben, während er das für ihn völlig bedeutungslose Geschreibsel vermutlich in den Kamin stopfte.
       Lowry hatte die letzte Fassung des Romans im Haus seines Freundes Martin Case geschrieben. Entwürfe einer ersten Fassung waren dabei im Papierkorb gelandet. Case hatte diese Blätter heimlich gesammelt und verwahrte sie sicher. Als er von Lowrys Missgeschick erfuhr, brachte er ihm die geretteten Papiere, die es dem Freund wunderbarerweise ermöglichten, das Buch neu zu schreiben. Mit dem Ergebnis war Lowry allerdings nie sonderlich zufrieden. Seine Frau Margerie erzählte: »Er arbeitete immer an zwei oder drei Projekten gleichzeitig, und nebenher liefen auch unregelmäßige Randbemerkungen zu ›Ultramarin‹. Oft traf ich ihn mit dem abgenutzten Band in den Händen an, wobei er diesen wütend anfunkelte und auf den Seiten Notizen machte oder ihn manchmal auch nur umklammert hielt und aus dem Fenster starrte; dann pflegte er sich zu mir umzudrehen und zu sagen: ›Weißt du, eines Tages muss ich das neu schreiben.‹«
       Dem neugeschriebenen Roman, der 1933 erschien, folgte 1962, postum, eine erweiterte Fassung, die die Randnotizen Lowrys berücksichtigte. Auch wenn die Reise des Matrosen Hilliot in »Ultramarin« noch versöhnlich enden durfte, sind die Schiffsglocken des Frachters »Oedipus Tyrannus« »Glocken der Hölle«, die Malcolm Lowrys Hauptwerk »Unter dem Vulkan« bereits einzuläuten scheinen.
       Alle geschriebenen oder lediglich geplanten, veröffentlichten oder verlorenen Manuskripte Lowrys sollten am Ende einen großen Erzählzyklus bilden, eine Romantrilogie nach dem Vorbild von Dantes »Göttlicher Komödie«. »Unter dem Vulkan« war Lowrys Höllenfahrt. Das Buch hat wie »Ultramarin« eine autobiographische Grundlage: das Scheitern von Lowrys erster Ehe und seinen Abstieg in den Alkoholismus, der zugleich Trost und Selbstbestrafung war. Es ist aber vor allem ein bis ins Detail geplanter symbolistischer Roman über die unausweichliche Selbstzerstörung und Selbstzerfleischung eines alkoholsüchtigen Konsuls in Mexiko. Sein Scheitern im Leben und in der Liebe wird in Rückblenden, Träumen und Visionen geschildert. Sein Sterben, in dem sich die Katastrophen des 20. Jahrhunderts spiegeln, wird zum »Menetekel für die Welt«.
       »Lunar Caustic« (»Die letzte Adresse«), ein ebenfalls autobiographischer Kurzroman, erzählt den Weg eines Künstlers in den Wahnsinn, der in einer New Yorker Psychiatrie, in unmittelbarer Nähe von Herman Melvilles einstigem Wohnsitz, endet. Das ist kein Zufall, denn jener Künstler identifiziert sich mit dem bedeutenden amerikanischen Autor, und die Ärzte und Pfleger der Klinik tragen Namen, die Melvilles Werk entlehnt sind. Der kleine Roman sollte in Lowrys Zyklus das Fegefeuer repräsentieren, doch das Einzige, was die psychiatrische Anstalt von der Hölle unterscheidet, ist die vage Möglichkeit eines Auswegs.
       Ein dritter Roman, »In Ballast to the White Sea«, sollte Dantes Einkehr ins Paradies entsprechen. Nach den Untergangsvisionen der früheren Texte Malcolm Lowrys hat die Frage, welche Vorstellung vom Paradies dieser von Literatur und hochprozentigen Getränken gleichermaßen besessene Autor in sich trug, eine

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