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Die Bibliothek der verlorenen Bücher

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Titel: Die Bibliothek der verlorenen Bücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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immer wieder zu seinen persönlichen Obsessionen zurückführt, so dass sich sein Leben auf vielfältige Weise in seiner Literatur spiegelt.
       Das kleine Paradies, das Lowry in Kanada gefunden hatte, ging in Flammen auf, genauso wie seine literarische Vision vom Paradies. Aber was hätte er, der all seine Inspiration aus den tiefsten Abgründen menschlichen Erlebens zog, mit einem Garten Eden anfangen können, außer ihn niederzubrennen? Seine Alkoholsucht führte ihn zurück ins Fegefeuer der Psychiatrie, aus der er schließlich als unheilbarer Fall in die Hölle der Sucht entlassen wurde. 1957 starb Lowry an einer Schlafmittelvergiftung, die man auch als Finale einer lebenslangen Art von Selbstmord durch Schreiben und Trinken bezeichnen könnte. Wenn er seinen Roman gerettet und seine geplante Trilogie zum Abschluss gebracht hätte und wenn wir über seine tatsächlichen Vorstellungen vom Paradies besser Bescheid wüssten, hätten wir vielleicht ein anderes Bild von diesem sprachgewaltigen Dichter des Untergangs und der Selbstzerstörung. So unterstreicht das Schicksal von Lowrys großem verlorenem Roman nur die melancholische Aussage seiner anderen Werke: Es gibt keine Erlösung, nur die Erinnerung.

    Hemingways Reisetasche

    E nde 1921 tauchte ein junger Mann mit dunklem Haar und dünnem Schnurrbart in der Pariser Buchhandlung »Shakespeare and Company« auf. Er komme gerade mit seiner Frau aus Chicago, sagte er zu der Inhaberin Sylvia Beach. Zuvor habe er zwei Jahre in einem Militärlazarett verbracht, um eine Kriegsverletzung zu kurieren, die er sich in Italien zugezogen habe. »Ich bin Ernest Hemingway«, sagte er. Dann zog er Schuhe und Strümpfe aus, um der verblüfften Buchhändlerin die Narben an seinen Beinen zu präsentieren.
       Ernest Hemingway stand noch ganz am Anfang seiner Karriere. Er hielt sich und seine Frau Hadley mit Sportreportagen über Wasser und nutzte jede Gelegenheit, um über die rührige Miss Beach bedeutende Literaten und Künstler kennenzulernen. Die Avantgarde traf sich in den Cafés am linken SeineUfer, und »Shakespeare and Company« in der Rue de l’Odéon war ein Magnet für die jungen Wilden der literarischen Moderne. Hemingway brachte frischen Wind in die Pariser Boheme, er boxte mit dem kanadischen Romancier Morley Callaghan, besoff sich mit Scott Fitzgerald und James Joyce, trank Tee mit Gertrude Stein und Alice B. Toklas.
       Er arbeitete immer noch hauptsächlich als Journalist, als er im Frühjahr 1923 von der internationalen Konferenz zum griechisch-türkischen Konflikt in Lausanne berichtete und nebenbei einen Hochstapler namens Mussolini überführte: »Mit Leuten, die schwarze Hemden und weiße Gamaschen tragen, stimmt etwas nicht«, schrieb er im »Toronto Daily Star« über den Faschisten.
       Mussolini hatte zur Pressekonferenz geladen, sich aber nicht die Mühe gemacht, die Fragen der Reporter zu beantworten. Er posierte als schweigsames Orakel, über den weltlichen Dingen stehend und mit düsterer Miene ein Buch studierend. Hemingway interessierte sich brennend für Mussolinis Lektüre. Schließlich gelang es ihm, einen Blick auf das Werk zu werfen: Es war ein Wörterbuch, und Mussolini hielt es verkehrt herum.
       Es gab also nicht viel Bedeutsames zu berichten. Hemingway, der die lebhafte Atmosphäre der Pariser Künstlerszene vermisste, begann sich zu langweilen und sinnierte, statt über Weltpolitik zu schreiben, über die fabelhafte Aussicht, die Lord Byron hundert Jahre zuvor auf den Genfer See gehabt haben musste. Eigentlich hatte er genug zu tun, denn zu Hause wartete eine Unmenge literarischer Entwürfe darauf, sortiert und überarbeitet zu werden. Kurz entschlossen bat Hemingway seine Frau Hadley, zu ihm nach Lausanne zu kommen und seine Manuskripte – sämtliche frühe Arbeiten, darunter ein angefangener Roman – mitzubringen, damit er sie in seiner freien Zeit bearbeiten konnte. Hadley ordnete die handschriftlichen Notizen, die abgetippten Texte und die Durchschläge sorgfältig in Hefter aus Manilahanf und packte sie in ihre Reisetasche. Sie nahm ein Taxi zum Gare de Lyon, wo sie mit dem nächsten Zug in die Schweiz fahren wollte. Kaufte sie Zigaretten? Trank sie einen Kaffee? Grübelte sie über den Verlauf der Konferenz, über den in den Zeitungen ausführlich berichtet wurde? Man weiß es nicht. Eines ist sicher: Sie wartete, geduldig oder ungeduldig, an den trostlosen Bahnhofsgleisen, umgeben vom Gesumm und Gebrumm rastloser

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