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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Blechtrommeln ausgehen, rar werden, unter Verbot stehen, der Vernichtung anheimfallen. Eines Tages könnte sich Oskar gezwungen sehen, einige nicht allzu arg zugerichtete Bleche einem Klempner in Reparatur geben zu müssen, damit der mir helfe, mit den geflickten Veteranen eine trommellose und schreckliche Zeit zu überstehen.
    Ähnlich, wenn auch mit anderen Ausdrücken äußern sich die Ärzte der Heil-und Pflegeanstalt über die Ursache meines Sammlertriebes. Fräulein Doktor Hornstetter wollte sogar den Tag wissen, der zum Geburtstag meines Komplexes wurde. Recht genau konnte ich ihr den neunten November achtunddreißig nennen, denn an jenem Tage verlor ich Sigismund Markus, den Verwalter meines Trommelmagazins. Wenn es schon nach dem Tod meiner armen Mama schwierig geworden war, pünktlich in den Besitz einer neuen Trommel zu gelangen, da die Donnerstagsbesuche in der Zeughauspassage zwangsläufig aufhörten, Matzerath sich nur nachlässig um meine Instrumente kümmerte, Jan Bronski jedoch immer seltener ins Haus kam, um wieviel hoffnungsloser gestaltete sich meine Lage, als man das Geschäft des Spielzeughändlers zertrümmerte und der Anblick des am aufgeräumten Schreibtisch sitzenden Markus mir deutlich machte: der Markus schenkt dir keine Trommel mehr, der Markus handelt nicht mehr mit Spielzeug, der Markus hat für immer die Geschäftsbeziehungen zu jener Firma abgebrochen, die dir bisher die schöngelackten weißroten Trommeln fabrizierte und lieferte.
    Dennoch wollte ich damals nicht glauben, daß mit dem Ende des Spielzeughändlers jene frühe, oder verhältnismäßig heitere Spielzeit ihr Ende gefunden hatte, klaubte mir vielmehr aus dem in einen Trümmerhaufen verwandelten Geschäft des Markus eine heile und zwei nur am Rand verbeulte Bleche, trug die Beute nach Hause und glaubte, Vorsorge getroffen zu haben.
    Vorsichtig ging ich mit den Stücken um, trommelte selten, nur noch notfalls, versagte mir ganze Trommlernachmittage und, widerwillig genug, meine mir den Tag erträglich machenden Trommlerfrühstücke. Oskar übte Askese, magerte ab, wurde dem Dr. Hollatz und dessen immer knochiger werdenden Assistentin Schwester Inge vorgeführt. Die gaben mir süße, saure, bittere und geschmacklose Medizin, sprachen meine Drüsen schuldig, die wechselnd nach der Ansicht des Dr.Hollatz durch Überfunktion oder Unterfunktion mein Wohlbefinden zu stören hatten.
    Um dem Hollatz zu entgehen, übte Oskar seine Askese mäßiger, nahm wieder zu, war im Sommer neununddreißig annähernd der alte, dreijährige Oskar, der sich die Rückgewinnung seiner Pausbäckigkeit mit dem endgültigen Zerschlagen der letzten, noch vom Markus stammenden Trommel erkaufte. Das Blech klaffte, klapperte haltlos, gab weißen und roten Lack auf, rostete und hing mir mißtönend vor dem Bauch.
    Es wäre sinnlos gewesen, Matzerath um Hilfe anzugehen, obgleich jener von Natur aus hilfsbereit, sogar gutmütig war. Seit dem Tode meiner armen Mama dachte der Mann nur noch an seinen Parteikram, zerstreute sich mit Zellenleiterbesprechungen oder unterhielt sich um Mitternacht, nach starkem Alkoholgenuß, laut und vertraulich mit den schwarzgerahmten Abbildungen Hitlers und Beethovens in unserem Wohnzimmer, ließ sich vom Genie das Schicksal und vom Führer die Vorsehung erklären und sah das Sammeln für die Winterhilfe im nüchternen Zustand als sein vorgesehenes Schicksal an.
    Ungern erinnere ich mich dieser Sammlersonntage. Unternahm ich doch an solch einem Tag den ohnmächtigen Versuch, in den Besitz einer neuen Trommel zu gelangen. Matzerath, der vormittags auf der Hauptstraße vor den Kunstlichtspielen, auch vor dem Kaufhaus Sternfeld gesammelt hatte, kam mittags nach Hause und wärmte für sich und mich die Königsberger Klopse auf. Nach dem, wie ich .mich heute noch erinnere, schmackhaften Essen — Matzerath kochte selbst als Witwer leidenschaftlich gerne und vorzüglich — legte sich der müde Sammler auf die Chaiselongue, um ein Nickerchen zu machen. Kaum atmete er schlafgerecht, griff ich mir auch schon die halbvolle Sammelbüchse vom Klavier, verschwand mit dem Ding, das die Form einer Konservendose hatte, im Laden unter dem Ladentisch und verging mich an der lächerlichsten aller Blechbüchsen. Nicht etwa, daß ich mich an den Groschenstücken hätte bereichern wollen! Ein blöder Sinn befahl mir, das Ding als Trommel auszuprobieren. Wie ich auch schlug und die Stöcke mischte, immer gab es nur eine Antwort: Kleine Spende fürs

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