Die Blechtrommel
etwas Beinevertreten und Hände segnend übers verregnete, breit und lang qualmende Feuerchen halten, noch einmal Husten im grünen Qualm, ein tränendes Auge im gelben Qualm, dann hüstelndes, tränendes Davonstiefeln in Richtung Bissau.
Wenn der Koljaiczek nicht hier war, mußte Koljaiczek in Bissau sein. Feldgendarmen kennen immer nur zwei Möglichkeiten.
Der Rauch des langsam sterbenden Feuers hüllte meine Großmutter gleich einem fünften und so geräumigen Rock ein, daß sie sich in ihren vier Röcken, mit Seufzern und heiligen Vornamen, ähnlich dem Koljaiczek, unterm Rock befand. Erst als die Uniformen nur noch wippende, langsam im Abend zwischen Telegrafenstangen versaufende Punkte waren, erhob sich meine Großmutter so mühsam, als hätte sie Wurzeln geschlagen und unterbräche nun, Fäden und Erdreich mitziehend, das gerade begonnene Wachstum.
Dem Koljaiczek wurde es kalt, als er auf einmal so ohne Haube klein und breit unter dem Regen lag.
Schnell knöpfte er sich jene Hose zu, welche unter den Röcken offen zu tragen, ihm Angst und ein grenzenloses Bedürfnis nach Unterschlupf geboten hatten. Er fingerte eilig, eine allzu rasche Abkühlung seines Kolbens befürchtend, mit den Knöpfen, denn das Wetter war voller herbstlicher Erkältungsgefahren.
Es war meine Großmutter, die noch vier heiße Kartoffeln unter der Asche fand. Drei gab sie dem Koljaiczek, eine gab sie sich selbst und fragte noch, bevor sie zubiß, ob er von der Ziegelei sei, obgleich sie wissen mußte, daß der Koljaiczek sonstwoher, aber nicht von den Ziegeln kam. Sie gab dann auch nichts auf seine Antwort, lud ihm den leichteren Korb auf, beugte sich unter dem schwereren, hatte noch eine Hand frei für Krautrechen und Hacke, wehte mit Korb, Kartoffeln, Rechen und Hacke in ihren vier Röcken in Richtung Bissau-Abbau davon.
Das war nicht Bissau selbst. Das lag mehr Richtung Ramkau. Da ließen sie die Ziegelei links liegen, machten auf den schwarzen Wald zu, in dem Goldkrug lag und dahinter Brenntau. Aber vor dem Wald in einer Kuhle lag Bissau-Abbau. Dorthin folgte meiner Großmutter klein und breit Joseph Koljaiczek, der nicht mehr von den Röcken lassen konnte.
UNTERM FLOSS
Es ist gar nicht so einfach, hier, im abgeseiften Metallbett einer Heil-und Pflegeanstalt, im Blickfeld eines verglasten und mit Brunos Auge bewaffneten Guckloches liegend, die Rauchschwaden kaschubischer Kartoffelkrautfeuer und die Schraffur eines Oktoberregens nachzuzeichnen. Hätte ich nicht meine Trommel, der bei geschicktem und geduldigem Gebrauch alles einfällt, was an Nebensächlichkeiten nötig ist, um die Hauptsache aufs Papier bringen zu können, und hätte ich nicht die Erlaubnis der Anstalt, drei bis vier Stunden täglich mein Blech sprechen zu lassen, wäre ich ein armer Mensch ohne nachweisliche Großeltern.
Jedenfalls sagte meine Trommel: An jenem Oktobernachmittag des Jahres neunundneunzig, während in Südafrika Ohm Krüger seine buschig englandfeindlichen Augenbrauen bürstete, wurde zwischen Dirschau und Karthaus, nahe der Ziegelei Bissau, unter vier gleichförmigen Röcken, unter Qualm, Ängsten, Seufzern, unter schrägem Regen und leidvoll betonten Vornamen der Heiligen, unter den einfallslosen Fragen und rauchgetrübten Blicken zweier Landgendarmen vom kleinen, aber breiten Joseph Koljaiczek meine Mutter Agnes gezeugt.
Anna Bronski, meine Großmutter, wechselte noch unterm Schwarz der nämlichen Nacht ihren Namen: ließ sich also mit Hilfe eines freigebig mit Sakramenten umgehenden Priesters zur Anna Koljaiczek machen und folgte dem Joseph, wenn nicht nach Ägypten, so doch in die Provinzhauptstadt an der Motto, wo Joseph Arbeit als Flößer und einstweilen Ruhe vor der Gendarmerie fand.
Nur um die Spannung etwas zu erhöhen, nenne ich den Namen jener Stadt an der Mottlaumündung noch nicht, obgleich sie als Geburtsstadt meiner Mama jetzt schon nennenswert wäre. Ende Juli des Jahres nullnull — man entschloß sich gerade, das kaiserliche Schlachtflottenbauprogramm zu verdoppeln — erblickte Mama im Sternzeichen Löwe das Licht der Welt. Selbstvertrauen und Schwärmerei, Großmut und Eitelkeit. Das erste Haus, auch Domus vitae genannt, im Zeichen des Aszendenten: leicht zu beeinflussende Fische. Die Konstellation Sonne in Opposition Neptun, siebentes Haus oder Domus matrimonii uxoris, sollte Verwirrungen bringen. Venus in Opposition zu Saturn, der bekanntlich Krankheit an Milz und Leber bringt, den man den sauren Planeten nennt, der
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