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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Holzfelder den Zunder für zweifarbig aufflackernde Nationalgefühle. Wie immer, wenn es um Polens Zukunft geht, war auch bei j enen Bränden die Jungfrau Maria mit von der Partie, und es mag Augenzeugen gegeben haben — vielleicht leben heute noch welche —, die eine mit Polens Krone geschmückte Mutter Gottes auf den zusammenbrechenden Dächern mehrerer Sägemühlen gesehen haben wollen. Volk, das bei Großbränden immer zugegen ist, soll das Lied von der Bogurodzica, der Gottesgebärerin, angestimmt haben — wir dürfen glauben, es ging bei Koljaiczeks Brandstiftungen feierlich zu: es wurden Schwüre geschworen.
    So belastet und gesucht der Brandstifter Koljaiczek war, so unbescholten, elternlos, harmlos, ja beschränkt und von niemandem gesucht, kaum gekannt hatte der Flößer Joseph Wranka seinen Kautabak in Tagesrationen eingeteilt, bis ihn der Fluß Bug aufnahm und drei Tagesrationen Kautabak in seiner Joppe mit den Papieren zurückblieben. Und da der ertrunkene Wranka sich nicht mehr melden konnte und niemand nach dem ertrunkenen Wranka peinliche Fragen stellte, kroch Koljaiczek, der die ähnliche Statur und den gleichen Rundschädel wie der Ertrunkene hatte, zuerst in dessen Joppe, sodann in dessen amtlich papierene, nicht vorbestrafte Haut, gewöhnte sich die Pfeife ab, verlegte sich auf Kautabak, übernahm sogar vom Wranka das Persönlichste, dessen Sprachfehler, und gab in den folgenden Jahren einen braven, sparsamen, leicht stotternden Flößer ab, der ganze Wälder auf Njemen, Bobr, Bug und Weichsel zu Tal flößte. So muß auch gesagt werden, daß er es bei den Leibhusaren des Kronprinzen unter Mackensen zum Gefreiten Wranka brachte, denn Wranka hatte noch nicht gedient, Koljaiczek jedoch, der vier Jahre älter war als der Ertrunkene, hatte in Thorn bei der Artillerie ein schlechtes Zeugnis hinterlassen.
    Der gefährlichste Teil aller Räuber, Totschläger und Brandstifter wartet, während noch geraubt, totgeschlagen und in Brand gesteckt wird, auf die Gelegenheit eines solideren Metiers. Manchen zeigt sich gesucht oder zufällig die Chance: Koljaiczek war als Wranka ein guter und vom hitzigen Laster so kurierter Ehemann, daß ihn der bloße Anblick eines Streichholzes schon zittern machte.
    Streichholzschachteln, die frei und selbstgefällig auf dem Küchentisch lagen, waren vor ihm, der das Streichholz hätte erfunden haben können, nie sicher. Zum Fenster warf er die Versuchung hinaus.
    Mühe hatte meine Großmutter, das Mittagessen rechtzeitig und warm auf den Tisch zu bekommen. Oft saß die Familie im Dunkeln, weil der Petroleumlampe das Flämmchen fehlte.
    Dennoch war Wranka kein Tyrann. Am Sonntag führte er seine Anna Wranka zur Kirche in die Niederstadt und erlaubte ihr, die ihm standesamtlich angetraut war, wie auf dem Kartoffelacker vier Röcke übereinanderzutragen. Im Winter, wenn die Flüsse vereist waren und die Flößer magere Zeit hatten, saß er brav im Troyl, wo nur Flößer, Stauer und Werftarbeiter wohnten, und paßte auf seine Tochter Agnes auf, die von der Art des Vaters zu sein schien, denn wenn sie nicht unter das Bett kroch, dann steckte sie im Kleiderschrank, und wenn Besuch da war, saß sie unter dem Tisch und mit ihr ihre Kodderpuppen.
    Es kam dem Mädchen Agnes also darauf an, versteckt zu bleiben und im Versteck ähnliche Sicherheit, wenn auch anderes Vergnügen zu finden, als Joseph unter den Röcken der Anna fand. Koljaiczek der Brandstifter war gebrannt genug, um das Schutzbedürfnis seiner Tochter verstehen zu können. Deshalb baute er ihr, als auf dem balkonähnlichen Vorbau der Eineinhalbzimmerwohnung ein Kaninchenstall gezimmert werden mußte, einen extra für ihre Maße gedachten Verschlag. In solch einem Gehäuse saß meine Mama als Kind, spielte mit Puppen und wurde größer dabei. Später, als sie schon zur Schule ging, soll sie die Puppen verworfen und mit Glaskugeln und farbigen Federn spielend, den ersten Sinn für zerbrechliche Schönheit gezeigt haben.
    Man mag mir, der ich darauf brenne, den Beginn eigener Existenz anzeigen zu dürfen, erlauben, die Wrankas, deren Familienfloß ruhig dahinglitt, bis zum Jahre dreizehn, da die »Columbus« bei Schichau vom Stapel lief, unbeobachtet zu lassen; da kam nämlich die Polizei, die nichts vergißt, dem falschen Wranka auf die Spur.
    Es begann damit, daß Koljaiczek, wie in jedem Spätsommer so auch im August des Jahres dreizehn, das große Floß von Kijew über den Pripet, durch den Kanal, über den Bug bis

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