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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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werde.

KARFREITAGSKOST
    Zwiespältig, das wäre ein Wort, meine Gefühle zwischen dem Karmontag und dem Karfreitag zu benennen. Einerseits ärgerte ich mich über jenen gipsernen Jesusknaben, der nicht trommeln wollte, andererseits blieb so mir alleine die Trommel vorbehalten. Wenn auf der einen Seite meine Stimme den Kirchenfenstern gegenüber auch versagte, erhielt sich Oskar auf der anderen Seite angesichts des heilen und bunten Glases jenen Rest katholischen Glaubens, der ihm noch viele verzweifelte Lästerungen eingeben sollte.
    Doch weiter im Zwiespalt: gelang es mir einerseits, auf dem Heimweg, von der Herz-Jesu-Kirche kommend, probeweise ein Mansardenfenster zu zersingen, machte mich andererseits der Erfolg meiner Stimme dem Profanen gegenüber fortan auf meine Mißerfolge im sakralen Sektor aufmerksam.
    Zwiespältig, sage ich. Dieser Bruch blieb, ließ sich nicht heilen und klafft heute noch, da ich weder im Sakralen noch im Profanen beheimatet bin, dafür etwas abseits in einer Heil-und Pflegeanstalt hause.
    Mama bezahlte den Schaden am linken Seitenaltar. Das Ostergeschäft war gut, obgleich der Laden auf Matzeraths Wunsch, der ja Protestant war, am Karfreitag geschlossen werden mußte. Mama, die sonst immer ihren Willen durchsetzte, gab jeweils an den Karfreitagen nach, machte den Laden zu und beanspruchte dafür am Fronleichnamstag das Recht, aus katholischen Gründen das Kolonialwarengeschäft geschlossen zu halten, die Persilpackungen und Kaffee-Hag-Attrappen gegen ein buntes, elektrisch beleuchtetes Marienbildchen im Schaufenster auszutauschen und an der Prozession in Oliva teilzunehmen.
    Es gab einen Pappdeckel, auf dessen einer Seite man lesen konnte: Wegen Karfreitag geschlossen. Die andere Seite der Pappe besagte: Wegen Fronleichnam geschlossen. An jenem Karfreitag, der dem trommellosen und stimmlosen Karmontag folgte, hängte Matzerath die Pappe mit »Wegen Karfreitag geschlossen« ins Schaufenster, und wir fuhren gleich nach dem Frühstück mit der Straßenbahn nach Brösen. Um beim Wort zu bleiben: zwiespältig nahm sich der Labesweg aus. Die Protestanten gingen zur Kirche, die Katholiken putzten die Fensterscheiben und klopften auf den Hinterhöfen alles, was einem Teppich nur ähnlich war, so kraftvoll und weithallend, daß man meinte, biblische Knechte nagelten auf allen Höfen der Mietshäuser gleichzeitig einen vervielfältigten Heiland auf vervielfältigte Kreuze.
    Wir aber ließen die passionsträchtige Teppichklopferei hinter uns, setzten uns in oftbewährter Zusammenstellung: Mama, Matzerath, Jan Bronski und Oskar in die Straßenbahn Linie Neun und fuhren durch den Brösener Weg, am Flugplatz, alten und neuen Exerzierplatz vorbei, warteten an der Weiche neben dem Friedhof Saspe auf die von Neufahrwasser — Brösen entgegenkommende Bahn.
    Mama nahm den Aufenthalt zum Anlaß für lächernd geäußerte, dennoch lebensmüde Betrachtungen.
    Den kleinen unbenutzten Gottesacker, auf dem sich schief und bewachsen Grabsteine des letzten Jahrhunderts unter verkrüppelten Strandkiefern hielten, nannte sie hübsch, romantisch und bezaubernd.
    »Auf dem mecht ich mal liegen, wenner noch in Betrieb war«, schwärmte Mama. Aber Matzerath fand den Boden zu sandig, beschimpfte die dort wuchernden Stranddisteln und den tauben Hafer. Jan Bronski gab zu bedenken, daß der Lärm vom Flugplatz her und die sich neben dem Friedhof ausweichenden Straßenbahnen den Frieden des sonst idyllischen Fleckens stören könnten.
    Die entgegenkommende Bahn wich uns aus, zweimal klingelte der Schaffner, und wir fuhren, Saspe und seinen Friedhof hinter uns lassend, gegen Brösen, ein Badeort, der um diese Zeit, etwa Ende April, recht schief und trostlos aussah. Die Erfrischungsbuden vernagelt, das Kurhaus blind, der Seesteg ohne Fahnen, in der Badeanstalt reihten sich zweihundertfünfzig leere Zellen. An der Wettertafel noch Kreidespuren vom Vorjahr: Luft: zwanzig; Wasser: Siebzehn; Wind: Nordost;
    Weitere Aussichten: heiter bis wolkig.
    Zuerst wollten wir alle zu Fuß nach Glettkau, schlugen dann aber, ohne es zu besprechen, den entgegengesetzten Weg, den Weg zur Mole ein. Die Ostsee leckte träge und breit den Strand. Bis zur Hafeneinfahrt zwischen weißem Leuchtturm und der Mole mit dem Seezeichen kein Mensch unterwegs. Ein am Vortag gefallener Regen hatte dem Sand sein gleichmäßigstes Muster aufgedrückt, das zu zerstören, barfuß Stempel hinterlassend, Spaß machte. Matzerath ließ guldenstückgroße, sanft

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