Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
Vom Netzwerk:
schwarzmähnigen Rappenkopf also, der gestern noch, vorgestern noch gewiehert haben mochte; denn faul war der Kopf nicht, stank nicht, höchstens nach Mottlauwasser; aber danach roch alles auf der Mole.
    Schon stand der mit der Stauermütze — die saß ihm jetzt im Nak-ken — breitbeinig über dem Stück Gaul, aus dem sich wütend hellgrün kleine Aale schleuderten. Der Mann hatte Mühe, sie zu fangen; denn Aale bewegen sich auf glatten, dazu noch feuchten Steinen schnell und geschickt. Auch waren sofort Möwen und Möwengeschrei über uns. Die stießen zu, schafften spielend zu dritt oder viert einen kleinen bis mittleren Aal, ließen sich auch nicht vertreiben; denn denen gehörte die Mole.
    Trotzdem gelang es dem Stauer, der zwischen die Möwen schlug und Zugriff, vielleicht zwei Dutzend kleinere Aale in den Sack zu stopfen, den Matzerath hilfsbereit, wie er sich gerne gab, hielt. So konnte er auch nicht sehen, daß Mama käsig im Gesicht wurde, zuerst die Hand und gleich darauf den Kopf auf Jans Schulter und Sammetkragen legte.
    Aber als die kleinen und mittleren Aale im Sack waren und der Stauer, dem bei seinem Geschäft die Mütze vom Kopf gefallen war, anfing, dickere, dunkle Aale aus dem Kadaver zu würgen, da mußte Mama sich setzen, und Jäh wollte ihr den Kopf weg drehen, aber das ließ sie nicht zu, starrte unentwegt mit dicken Kuhaugen mitten hinein in das Würmerziehen des Stauers.
    »Beßchenkieken!« stöhnte der zwischendurch. »Na nu mechten wä!« Riß, mit dem Wasserstiefel nachhelfend, dem Gaul das Maul auf, zwängte einen Knüppel zwischen die Kiefer, so daß der Eindruck entstand : das vollständige gelbe Pferdegebiß lacht. Und als der Stauer — jetzt sah man erst, daß der oben kahl und eiförmig aussah — mit beiden Händen hineingriff in den Rachen des Gaules und gleich zwei auf einmal herausholte, die mindestens armdick waren und armlang, da riß es auch meiner Mama das Gebiß auseinander: das ganze Frühstück warf sie, klumpiges Eiweiß und Fäden ziehendes Eigelb zwischen Weißbrotklumpen im Milchkaffeeguß über die Molensteine und würgte immer noch, aber es kam nichts mehr; denn soviel hatte sie nicht zum Frühstück gegessen, weil sie Übergewicht hatte und unbedingt abnehmen wollte, deshalb allerlei Diäten versuchte, die sie aber selten durchhielt — heimlich aß sie — und nur vom Dienstagturnen bei der Frauenschaft ließ sie sich nicht abbringen, auch wenn Jan und selbst Matzerath sie auslachten, wenn sie mit dem Turnbeutel zu den komischen Tunten ging, in blauglänzendem Stoff Keulengymnastik trieb und dennoch nicht abnahm.
    Auch damals hat Mama höchstens ein halbes Pfund auf die Steine gespuckt, und sie mochte würgen, soviel sie wollte, mehr gelang ihr nicht abzunehmen. Nichts außer grünlichem Schleim kam — und die Möwen kamen. Kamen schon, als sie anfing zu spucken, kreisten tiefer, ließen sich fett und glatt fallen, schlugen sich um das Frühstück meiner Mama, hatten keine Angst vorm Dickwerden, waren durch nichts zu vertreiben — durch wen auch? — wenn Jan Bronski sich vor den Möwen fürchtete und die Hände vor die schönen blauen Augen hielt.
    Aber auch auf Oskar hörten sie nicht, der seine Trommel gegen die Möwen einsetzte und mit Knüppeln auf weißem Lack gegen dieses Weiß wirbelte. Doch das half nichts, das machte die Möwen höchstens noch weißer. Matzerath aber kümmerte sich überhaupt nicht um Mama. Der lachte und äffte den Stauer nach, machte auf starke Nerven, und als der Stauer fast fertig war und zum Abschluß dem Gaul einen mächtigen Aal aus dem Ohr zog, mit dem Aal die ganze weiße Grütze aus dem Hirn des Gaules sabbern ließ, da stand zwar gleichfalls dem Matzerath der Käse im Gesicht, aber die Angeberei gab er dennoch nicht auf, kaufte dem Stauer für ein Spottgeld zwei mittlere und zwei starke Aale ab und wollte den Preis noch nachträglich runterhandeln.
    Da lobte ich mir Jan Bronski. Der sah aus, als wenn er weinen wollte, half aber trotzdem meiner Mama auf die Beine, legte ihr den einen Arm hinten herum, hielt den anderen vorne und führte sie weg, was komisch aussah, denn Mama stöckelte in ihren Schühchen mit hohen Absätzen von Stein zu Stein in Richtung Strand, knickte bei jedem Schritt und brach sich dennoch nicht die Knöchel.
    Oskar blieb bei Matzerath und dem Stauer, weil der Stauer, der seine Mütze wieder aufgesetzt hatte, uns zeigte und erklärte, warum der Kartoffelsack mit grobkörnigem Salz halbgefüllt war. Es

Weitere Kostenlose Bücher