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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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tobender Kinder, die mit ihren Stecken ein paar ängstlich quietschende Ferkel vor sich her jagten.
    Die Frauen warfen sich verschwörerische Blicke zu, während sie darauf warteten, dass der Lärm wieder abebbte und die Frau des Salzhändlers endlich fortfahren konnte:
    „Ich sage euch, es war Schwefel, stinkender gelber Schwefel, der oben aus dem Dach gefahren ist und mitten in die riesige schwarze Wolke hinein, die direkt über dem Haus hing.“
    Die Frauen schlugen hastige Kreuzzeichen und flatterten wie aufgeregte Hühner durcheinander.
    „Das Böse ist also direkt in unserer Mitte, sodass wir nur beten und den Herrn anflehen können, uns und unsere Kinder vor ihm zu bewahren“, schloss sie theatralisch.
    Katharina war rasch ins Haus gelaufen. Zuerst war sie nur unangenehm berührt gewesen. Nachdem sie jedoch Haube und Umhang abgelegt hatte, war ihr plötzlich die Gefahr bewusst geworden, die vom boshaften Geschwätz der Frauen nicht nur für Marie, sondern für sie alle ausging. Allein der Gedanke, dass ihr Verlobter Jacques davon erfahren und daraufhin ihre Verlobung lösen könnte, was wiederum zur Folge haben würde, dass sie ihr Leben als alte Jungfer in diesen stinkenden Gassen verbringen müsste, ließ Katharina den Atem stocken.
    Doch dann hatte sie erkannt, dass alles noch viel schlimmer war. Grausige Bilder der Vergangenheit stiegen aus ihrer Erinnerung empor, und mit ihnen zusammen kamen Angst und Entsetzen. Katharina begann zu zittern. Eine eisige Kälte kroch ihren Leib empor und legte sich schwer auf ihr Herz.
    Vor ihren Augen tauchte wieder das Gesicht des Juden und seine stumme Angst auf, die sich in namenloses Entsetzen verwandelt hatte, als er begriffen hatte, dass er sterben würde. Es war schrecklich gewesen. Nie würde sie es vergessen.
    Der jüdische Geldverleiher war der Ketzerei angeklagt gewesen und vor den Augen der ehrbaren Bürger von Bourges auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.
    Tage danach hatte sie noch immer seine entsetzlichen Schreie in den Ohren gehabt, die nicht hatten verstummen wollen.
    Seitdem war die Heilige Inquisition in Bourges allgegenwärtig, und wo immer die Domini canes, die Hunde des Herrn, in ihren schwarzen Kapuzenkutten auftauchten, wichen die Menschen ehrfürchtig vor ihnen zurück. Durch ihre Anwesenheit waren die Einwohner der Stadt unablässig dazu gezwungen, an ihre Sünden zu denken und sich ihre jämmerliche Unzulänglichkeit schmerzhaft ins Bewusstsein zu rufen.
    Katharina wusste zwar, dass der Angeklagte ein Jude gewesen war, also ein Ungläubiger, während sie selbst immerhin der achtbaren Bürgerschaft angehörte, doch der Schock, den sie damals erlitten hatte, war so groß gewesen, dass sie ihn nicht wieder hatte vergessen können.
    Eleonore sah Elsa streng an. „Ich werde dir die Milch von deinem Lohn abziehen“, sagte sie und wandte sich dann an Marie: „Und du wirst zur Strafe auf dein Essen verzichten und in deine Kammer gehen.“
    Schweigend nahm Marie ihre Strafe entgegen. Elsa sah ihr mitleidig nach, als sie sich traurig erhob, um den Befehl ihrer Mutter zu befolgen.
    Niemand sprach mehr ein Wort, und nachdem Jean zusammen mit seinen Knechten die Küche verlassen hatte, erhob sich auch Eleonore vom Tisch, um sich ihrer täglichen Näharbeit zu widmen.
    Sie würde sich wohl bald nach einer neuen Magd umsehen müssen, denn Elsa war störrisch und ungehorsam, sobald es um Marie ging. Sie hatte geradezu einen Narren an dem Mädchen gefressen, und Eleonore konnte diese Bevorzugung ihrer jüngsten Tochter auf keinen Fall noch länger dulden.
    Jean würde wütend werden, wenn er merkte, dass sie nicht einmal die Magd unter Kontrolle hatte.
    Elsa hatte die Küche verlassen und war die enge Treppe zum Vorratskeller hinuntergestiegen. Kaum war sie fort, da drehte sich Martha, die Zweitälteste, zu Katharina um.
    „Jetzt müssen wir sogar noch das Geschirr wegräumen und das Gemüse putzen, während Marie es sich in der Kammer gemütlich machen kann“, beschwerte sie sich. Sie war kleiner und rundlicher als Katharina und hatte ebenso wie Agnes die dunklen Haare ihres Vaters geerbt.
    „Marie ist dumm“, bemerkte Agnes und steckte ihren Finger in den offenen Honigtopf, um ihn anschließend genüsslich abzulecken. Sie war grundsätzlich derselben Meinung wie Martha, die sie über alles liebte.
    „Marie ist schuld daran, dass die Leute sich die Mäuler über uns zerreißen“, grollte Katharina, immer noch ganz von ihren düsteren Gedanken

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