Die Bluterbin (German Edition)
Gesicht zeigte sich ein Anflug von Ekel, als sie auf das bewusstlose Mädchen herabsah, dessen Körper noch immer von Zuckungen beherrscht wurde.
„Worauf wartest du noch? Nimm Bitterwurz, gib etwas Alraune hinzu, und dann wisch sie sauber“, herrschte sie Elsa an, bevor sie sich mit einem kurzen Seufzer abwandte und wieder nach unten ging. Als ob sie nicht schon genug Probleme hätte.
Elsa schob die blonde Haarsträhne, die sich durch den raschen Lauf gelöst hatte, wieder unter ihre weiße Haube zurück und begab sich in die Küche. Dort kochte sie eine kleine Menge Wein auf, in die sie, wie ihr geheißen, zerstoßenen Bitterwurz und eine kleine Menge Alraune gab. Anschließend goss sie den Wein in einen Becher und rührte ihn noch einmal sorgfältig um. Als sie zurück in die Kammer kam, wischte sie Marie sauber und flößte ihr den Wein Tropfen für Tropfen ein.
Es schien tatsächlich zu helfen, denn die Krämpfe begannen nachzulassen. Maries Atem wurde gleichmäßiger, aber sie erwachte nicht, sondern schlief erschöpft bis zum nächsten Tag.
2
Zwei Wochen nach ihrem Anfall erwachte Marie eines Morgens vom dröhnenden Hufgeklapper eines mächtigen Kutschpferdes, das sich mühte, mit dem voll bepackten Wagen, an den es geschirrt war, durch die schmalen Gassen zu kommen. Der Kutscher auf dem Bock fluchte laut, als ihn der übel riechende Inhalt einer Bettpfanne traf und sich genau über seinen Umhang ergoss.
Eine unerträgliche Hitze hatte sich über die Stadt gelegt, die mit jedem Tag schlimmer wurde und die Menschen ungeduldig und reizbar machte.
Marie warf einen raschen Blick auf ihre Schwestern und stellte erleichtert fest, dass diese noch schliefen. Schnell sprang sie aus dem Bett, wusch sich Gesicht und Hände in der Waschschüssel, die auf einem eigens dafür angefertigten Holztisch stand, und schlüpfte in ihr Gewand. Nachdem sie gekleidet war, griff sie nach ihrem Holzkamm, kämmte sich damit sorgfältig ihre langen Haare nach hinten und setzte sich dann zum Abschluss ihrer Toilette den schmalen bronzenen Reif auf.
Als sie fertig war, stieg sie mit leisen Schritten die Holztreppe hinunter und beeilte sich, in die Küche zu kommen, in der Elsa um diese Zeit das Feuer im Kamin schon immer geschürt hatte.
Der große, gemauerte Kamin bildete den Mittelpunkt des geräumigen Fachwerkhauses und führte durch das gesamte erste und zweite Stockwerk bis zum Dach hinauf, was den Vorteil hatte, dass man unten feuern und dadurch gleichzeitig fast alle anderen Zimmer mit beheizen konnte.
Vom Kamin aus gingen Diele, Stube und Küche ab. Letztere lag zum Garten hin, und unter dem Küchenfenster befand sich eine Kompostgrube, in die man die Küchenabfälle kippen konnte. Das vermied nicht nur viel Dreck, sondern ersparte auch eine Menge Lauferei.
In der Küche traf Marie auf Elsa, die der einzige Mensch im ganzen Haus war, bei dem sie etwas Wärme fand. Um wie viel lieber hätte sie bei der Magd in der winzigen Gesindekammer direkt unterm Dach geschlafen als bei ihren Schwestern, die sie immer nur herumschubsten und bei jeder sich bietenden Gelegenheit ärgerten. Doch ihre Mutter hatte es nicht erlaubt und ihr sogar mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, als sie sich trotz des bestehenden Verbotes einmal heimlich in Elsas Kammer geschlichen hatte. Beim Anblick des Mädchens legte sich ein gutmütiges Lächeln auf Elsas rundes Gesicht, das im Gegensatz zu sonst jedoch etwas gequält wirkte, denn auch sie litt unter der schrecklichen Hitze der letzten Tage.
Marie bemerkte es voller Sorge. „Ich werde dir helfen“, verkündete sie mit heller Stimme und begann mit geschickten Händen die einzelnen Zöpfe für den Hefekranz zu formen, den sich ihr Vater in den wenigen Tagen des Jahres, an denen er sich in seinem Haus aufhielt, anstelle des üblichen Haferbreis zum Frühstück wünschte.
Jean Machaut verbrachte den größten Teil des Jahres auf den großen Messen in der Champagne.
Von Anfang Januar bis zur Mittfastenzeit befand er sich in Lagny und bis Himmelfahrt dann in Bar-sur-Aube. Danach ging es nach Provins und anschließend zur „foire chaude“, zur Heißen Messe nach Troyes weiter, die von Johanni bis Mitte September dauerte. Auf diese folgte wiederum die Saint-Ayoul-Messe in Provins und nach Allerheiligen schließlich die „foire froide“, die Kalte Messe von Troyes.
„Bist ein gutes Kind.“ Elsa strich ihr mit der mehlbepuderten Hand über die Wange und stellte ihr einen Becher Milch
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