Die blutige Arena
geworfen, bis zum Altar und beugte mit theatralischer Gebärde ein Knie, während sich das Licht in seinen schwarzen Augen widerspiegelte und seine schlanke, biegsame Gestalt hervortreten ließ. Nach dem Gebet, das er mit dem Kreuzzeichen beschloß, erhob er sich und ging wie ein Tenor, der sich beim Abgehen dankend vor dem Publikum verbeugt, rücklings zur Tür, ohne das Bild aus den Augen zu lassen. Gallardo war in seinen Bewegungen einfacher. Er trat mit der Kappe in der Hand und übergeschlagenem Mantel ein, ohne jedoch an Geziertheit des Auftretens dem anderen nachzustehen. Doch vor dem Gnadenbild senkte er beide Knie zur Erde und begann sein Gebet, ohne sich um die hundert Augenpaare zu kümmern, die auf ihn gerichtet waren. Seine gläubige, einfache Christenseele zitterte vor Furcht und Gewissensbissen. Er bat um Schutz, mit der Inbrunst eines Mannes, der immer in Gefahren lebt und an alle möglichen Einflüsse oder an übernatürliche Hilfe glaubt. Das erstemal an diesem Tag dachte er an seine Frau und an seine Mutter. Die arme Carmen in Sevilla, wie wird sie auf das Telegramm warten. Dann die alte Angustias, die so ruhig bei ihren Hennen im Hofe La Rinconada saß, ohne recht zu wissen, wo ihr Sohn heute sein Leben aufs Spiel setzte. Und er war hier mit dem furchtbaren Vorgefühl, daß ihmdiesen Abend irgend etwas zustoßen würde. Heilige Jungfrau, nur ein bißchen Schutz, er würde schon wieder brav sein, auf alles andere vergessen und nach Gottes Geboten leben. Und gestärkt durch diese überflüssige Reue verließ er die Kapelle, noch ganz bewegt und trüben Auges, ohne auf das Volk zu achten, welches ihm den Weg verstellte. Draußen im Zimmer, wo die Toreros warteten, grüßte ihn ein glattrasierter, schwarzgekleideter Herr. »Schon wieder Pech«, murmelte der Torero beim Gehen. »Ich sagte es ja, daß heute etwas geschehen wird.« Es war der Kaplan des Zirkus. Er kam mit dem heiligen Öl aus einem ziemlich entfernten Stadtteil, ein zweiter Geistlicher begleitete ihn für den Fall, daß seine geistliche Hilfe gebraucht werden sollte. Er stritt sich schon einige Jahre mit einer Pfarre Madrids herum, welche infolge ihrer Nähe beim Zirkus behauptete, größeren Anspruch auf die Ausübung der heiligen Handlung zu haben. An den Tagen eines Stierkampfes mietete er sich eine Droschke, welche die Gesellschaft bezahlte, nahm das geweihte Öl an sich, wählte unter seinen Freunden und Schützlingen einen aus, der das Geschäft des Sakristans übernahm und begab sich dann in den Zirkus. Dort hatte man ihm zwei Plätze in der ersten Reihe neben den Stalltüren angewiesen.
Der Priester trat mit der Miene eines Mannes in die Kapelle, der hier zu Hause ist. Er ärgerte sich über die Haltung der Anwesenden, die zwar alle das Haupt entblößt hatten, jedoch laut sprachen, während einige sogar rauchten. »Meine Herren, hier ist kein Kaffeehaus. Bitte hinauszugehen, die Corrida beginnt schon.« Diese Aufforderung beschleunigteden Aufbruch, während der Priester das Öl aus seinem Rocke herauszog und es in einer bemalten Holzschachtel aufbewahrte. Nachdem er diese in dem Tabernakel eingeschlossen hatte, ging er eilig hinaus, um seinen Platz vor dem Einzug der Toreros aufzusuchen.
Die Zuschauer waren verschwunden, man sah jetzt nur mehr Männer, die in Seide und goldgestickter Tracht dastanden, ferner gelbgekleidete Reiter mit großen Biberhüten, Schutzwachen zu Pferde und die Angestellten des Zirkus in ihrer blaugoldenen Livree. Sie alle versammelten sich unter dem Bogen der Pforte, die man »caballos« nannte und welche auf den Platz hinausführte. Die Toreros waren an der Spitze, dann kamen in kurzem Abstände die Lanzenwerfer (Banderillos), ihnen folgte als Nachhut die Schar der Picadores, welche auf mageren Pferden saßen. Den Troß dieses Heereszuges bildeten endlich die Maultiere, welche die Tierleichen hinausschaffen sollten. Es waren lebhafte und kräftige Tiere mit gestickten Decken und Schellen geschmückt und die Mähne mit den Nationalfarben durchflochten. Im Hintergrunde des Bogens zeigte sich oberhalb der Planken, die den Ring abschlössen, ein blauer und leuchtender Kreis, der ein Stück des Himmels, die Dächer des Zirkus und einen Teil der Tribünen mit der kompakten und wimmelnden Zuschauermenge sehen ließ.
Ein Gefühl konzentrierter Spannung strömte wie der Atem einer gewaltigen Lunge aus dieser Galerie zu den Toreros herein und ein harmonisches Summen kam mit den Schwingungen der Luft bis hieher
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