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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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und schleuderte sie, in der Mitte des Platzes stehend, dem Stier in den Rücken. Seine Bewegung zeigte weder Gefälligkeit noch Kühnheit. Für ihn war es eine Geldsache. In Sevilla hatte er vier kleine Kinder, welche, wenn er fiel, keinen anderen Vater mehr fänden. Er tat seine Pflicht und nicht mehr wie einer, dem das Geschäft nicht neu ist, ohne Beifall zu suchen und nur darauf bedacht, Äußerungen des Mißfallens zu vermeiden. Als aber Gallardo beim Klang der Trompeten und dem Wirbel der Pauke wieder in die Arena sprang, da ging eine Bewegung durch die Menge. Nun kam ihr Liebling, man konnte gespannt sein. Und voll Erregung schaute man sich gegenseitig an und wartete auf ein neues Bravourstück. Ein Schauer lief durch die Reihen der Tribünen wie eine Vorahnung großer Ereignisse. Ein tiefes Schweigen legte sich mit einem Male über die Menge, als wenn der ganze Zirkus leer geworden wäre. Das Leben all dieser Tausend Zuschauer konzentrierte sich nur in die Augen. Niemand schien mehr zu atmen.
    Langsam näherte sich Gallardo dem Stier. In der einen Hand hielt er das scharlachrote Tuch, mit der anderen führte er den Degen, welcher in pendelnder Bewegung jeden Schritt begleitete. Als er einen Augenblick den Kopf wandte, sah er, daß der Nacional und ein anderer seiner Cuadrilla folgten, um ihm zu helfen. Da rief er laut: »Alle zurück!« Bei der Stille, die über dem Zirkus lagerte, drang seine Stimme bis in die letzten Reihen und ein Ausbruch der Bewunderung war die Antwort darauf. »Er will allein sein, was für ein Mann!« Tatsächlich näherte er sich ganz allein dem Stiere und sofort herrschte wieder lautlose Stille. Ruhig entfaltete er sein rotes Tuch, streckte es vor, und machte einige Schritte bis vor die Schnauze des Stieres, der über die Kühnheit des Mannes ganz betroffen und erstaunt war.
    Unter den Zuschauern wagte niemand zu sprechen oder zu atmen, doch in aller Augen glänzte die Bewunderung: »Was für ein Mann, sich bis vor die Hörner des Stieres zu wagen«. Nun stampfte er ungeduldig mit einem Fuß auf die Erde, wie um das Tier anzufeuern, endlich auf ihn loszugehen, und die gewaltige Fleischmasse stürzte sich, den Kopf senkend, brüllend auf ihn. Das rote Tuch flog über die Hörner, welche die Quasten und Fransen am Kleide des Torero streiften, der ruhig in seiner Stellung geblieben war und nur den Oberkörper nach rückwärts gebeugt hatte. Ein Gebrüll der Menge begleitete diesen kühnen Wurf. »Bravo! Bravo!«
    Der Stier wandte sich um und wiederholte seinen Angriff auf den Mann und das rote Tuch. Und wieder konnte man die gleiche Szene unter gleichem frenetischen Beifall sehen. Der Stier griff nun, immer mehr und mehr durch dieses Spielgereizt, den Torero wütend an, doch dieser setzte kaltblütig seine Neckereien fort, wobei er sich auf einem ganz engen Raum bewegte. Die unmittelbare Nähe der Gefahr und die bewundernden Zurufe des Publikums schienen ihn anzufeuern und zu berauschen. Er hörte neben sich das Schnauben der Bestie, rechts und links traf ihn der feuchte Geifer, doch er war mit dieser Berührung vertraut und betrachtete das wütende Tier wie einen guten Freund, der sich für ihn und seinen Ruhm töten ließ. Ermüdet von seinen vergeblichen Angriffen blieb der Stier nun einige Augenblicke stehen und schaute mit düster glühenden Augen auf den Mann und das rote Tuch, als ahnte er in seinem dunklen Gefühle das Vorhandensein einer Täuschung, welche ihn von Angriff zu Angriff und schließlich bis in den Tod trieb.
    Gallardo fühlte jetzt die Gewißheit seines Erfolges. Mit einer kreisenden Bewegung schlang er sich die Muletta um seine linke Hand und hob die Rechte über die Höhe der Augen, um den Degen in das Hirn des Stieres zu stoßen. Die Zuschauer stießen Rufe des Protestes und der Entrüstung aus. »Nicht so«, riefen tausend Stimmen. Er gehorchte dem Rufe, außerdem stand der Stier nicht günstig. Er begann von neuem seine Versuche, an ihn heranzukommen, ohne sich irgendwie an die Regeln des Kampfes zu halten. Was kümmerte sich ein so verzweifelter Bursche um diese Vorschriften? Er warf sich plötzlich in dem Augenblick, als das Tier auf ihn losstürzte, mit dem Degen nach vorne. Es war ein roher, wilder Zusammenstoß. Während einiger Sekunden bildeten Tier und Mensch eine einzige Masse und machten so zusammen einige Schritte, ohne daß es möglich gewesenwäre, den Sieger zu erkennen: War es der Mann, welcher mit einem Arme und seinem Körper zwischen den

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