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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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monotone Arbeit, genau das, was ich brauchte. Und ich suchte nach Gründen für den Rückgang der Zugvögel in der Gegend von La Hague.
    Ich wurde schlecht bezahlt.
    Aber ich hatte ein Dach über dem Kopf. Und noch nie einen großen Sturm erlebt.

Z wei große Silbermöwen flogen schimpfend über die Boote, den Hals gereckt, die Flügel ausgebreitet, den ganzen Körper dem Himmel entgegengestreckt. Mit einem Mal verstummten sie. Es zog weiter zu, wurde finster, obwohl es noch nicht Nacht war.
    Es war etwas anderes.
    Eine Drohung.
    Etwas, das die Vögel zum Schweigen gebracht hatte.
    Man hatte mich gewarnt: Sobald es anfängt, darf man nicht mehr draußen sein.
    Die Fischer kontrollierten ein letztes Mal die Vertäuung ihrer Boote, dann gingen sie fort, alle, einer nach dem anderen. Ein kurzer Blick in unsere Richtung.
    Wenn das Meer steigt, sagt man hier, sind die Männer stärker. Die Frauen nutzen die Gelegenheit, um sich an ihnen festzuklammern, egal wo sie sind, in den Ställen oder in den Laderäumen der Boote. Sie lassen sich nehmen.
    Der Wind pfiff bereits gewaltig. Seine Kraft war noch eindrucksvoller als die der Wellen. Dieser Wind, der die Männer vertrieb.
    Es blieben unsere beiden Tische auf der Terrasse, und niemand mehr ringsum.

    Lambert drehte sich zu mir um. Er sah mich an.
    »Mistwetter!«
    Morgane kam raus. »Sind Sie fertig?«, fragte sie.
    Sie sammelte seinen Teller, das Brot und meine Tasse ein.
    Der Wirt hatte die Latten gebracht und verrammelte schon die Tür.
    »Das wird ein Tanz!«, sagte er.
    Morgane sah mich an.
    »Bleibst du?«
    »Noch zwei Minuten, ja.«
    Ich wollte zusehen, solange es möglich war. Sehen, hören, spüren.
    Sie zuckte die Schultern. Ein erster Tropfen zerplatzte auf der Tischplatte.
    »Schiebt eure Stühle ran, wenn ihr geht!«
    Ich nickte. Lambert antwortete nicht. Dann rannte sie mit verschränkten Armen los, über die freie Fläche vom Gasthof bis zur Griffue , erreichte die Tür und verschwand schließlich im Haus.
    Ein erster Blitz zuckte irgendwo über der Insel Aurigny, ein weiterer schon etwas näher. Und dann schlug der Wind die erste Böe gegen die Mole, fast wie an einen Prellbock. Am Schuppen, in dem Max immer sein Boot repariert, klapperten die Bretter. Irgendwo schepperte ein loser Fensterladen.
    Das Meer wurde härter, es wurde so schwarz, als würde etwas Unheilvolles es von innen zusammenziehen. Der betäubende Lärm des Windes mischte sich mit dem der Wellen. Beängstigend. Ich schlug den Kragen hoch und stellte meinen Stuhl weg.
    Lambert rührte sich nicht. Er zog eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Er wirkte ruhig, gleichgültig.
    »Gehen Sie?«
    Ich nickte.

    Es heißt, die Windböen an Sturmtagen seien die Toten, die keine Ruhe finden. Verdammte Seelen, die sich ins Innere der Häuser stürzen, um dort zu nehmen, was man ihnen schuldet. ›Man‹, das sind die, die zurückgeblieben sind, die Lebenden.
    »Sieht man hier manchmal die Sterne?«, fragte er und zeigte auf den Himmel über uns.
    »Manchmal, ja.«
    »In der Stadt sieht man sie nämlich nicht mehr.«
    Der Wind zerfetzte seine Worte.
    Er hatte eine ruhige Stimme.
    »Wegen der Laternen«, erklärte er.
    Er hielt seine Zigarettenschachtel in der Hand. Drehte sie hin und her, eine mechanische Bewegung. Seine Anwesenheit machte die bevorstehende Ankunft des Sturmes noch beklemmender.
    »Aber es ist selten, oder?«
    »Was ist selten?«
    Er zögerte ein paar Sekunden, dann strich er sich mit dem Daumen über die Lippen.
    Ich sah ihn an, ihn, sein Gesicht, seine Augen; diese Geste, die er gerade gemacht hatte.
    Gleich darauf hörte ich es pfeifen. Ich hatte noch Zeit zurückzuweichen. Der Schatten, der mich ohrfeigte, war rot. Ich spürte, wie etwas meine Wange aufriss. Es war ein Stück Blech, vielleicht zwei Hände breit. Es flog noch zehn Meter weiter, dann drückte der Wind es auf den Boden und schleifte es mit sich fort. Ich hörte es auf dem Kies kratzen. Wie Zähne auf Sand.
    Meine Hand befühlte die Wange. Ich hatte Blut an den Fingern.
    »Was ist selten?«, hörte ich mich zum zweiten Mal fragen, während ich immer noch auf das Blech starrte.
    Er zündete sich eine Zigarette an.

    »Die Sterne. In der Stadt sind Sterne am Himmel selten«, wiederholte er.
    Dann zeigte er auf meine Wange. »Sie müssen das verarzten.«
     
    Später, in meinem Zimmer, am Fenster, betrachtete ich mein Gesicht, das rote Mal, das das Blech hinterlassen hatte.
    Die Schwellung war warm. Man kann sterben,

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