Dieses unendliche Verlangen
1. KAPITEL
“Na, da soll mich doch der Teufel holen!”, sagte der alte Mann. “Sieh mal, was wir da haben.”
Tracy Campbell blinzelte in dem hellen Licht, das aus der offenen Tür kam, und wischte sich die Regentropfen von den Augen. Ihr langes Haar klebte ihr wie nasser Seetang am Kopf und an den Wangen. Sie fühlte sich wie eine ertrunkene Ratte und hatte keinerlei Zweifel, dass sie auch genauso aussah. Stundenlang war sie bei diesem sintflutartigen Regen im Kreis herumgefahren, wie es schien, und nun war sie hundemüde. “Wo bin ich?”, brachte sie müde heraus.
“Auf unserer Veranda”, antwortete ein jüngerer Mann.
Na toll, dachte sie. Von allen Ranchhäusern in Colorado erwischte sie gerade das, in dem sich einer für einen Komiker hielt.
Tracy war nicht nach Lachen zumute. Sie war eher in der Stimmung zu weinen. Trotzdem weigerte sie sich, sich vor diesen beiden Männern zur Idiotin zu machen. Die zwei starrten sie an, als käme sie aus dem Weltraum.
Der ältere Mann hatte weißes Haar und blaue Augen, die sie durchdringend ansahen. Er erinnerte sie an den Filmstar Lloyd Bridges. Den jüngeren hatte sie noch nicht richtig mustern können.
Nun riss sie sich zusammen und trat ins Haus, ohne auf eine Einladung zu warten.
“Es ist mir egal, wo ich bin”, erklärte sie und sah die beiden Männer herausfordernd an. “Ich werde nicht wieder in diesen Wolkenbruch hinausgehen.”
“Niemand hat Sie dazu aufgefordert”, erwiderte der jüngere Mann, und beim Klang seiner Stimme erschauerte Tracy.
“Ich bin auf der Suche nach der Best-Ranch”, sagte sie.
“Sie haben sie gefunden”, antwortete er.
Tracy sprach im Stillen ein Dankgebet und streckte die Hand aus. Dann merkte sie, dass der marineblaue Pullover, den sie über ihrem Jeanskleid trug, sich durch die Nässe ausgedehnt hatte, sodass der Ärmel ihr bis über die Fingerspitzen reichte.
Sie zog ihn bis zum Ellbogen hoch und stellte sich vor. “Ich bin Ihre neue Haushälterin.”
“Was Sie nicht sagen!” Der ältere Mann schlug sich auf den Schenkel und lachte.
Die Augen des jüngeren Mannes glänzten amüsiert, während er Tracy vom klatschnassen Kopf bis hinunter zu den mit Schlamm beschmierten Füßen musterte.
“Wahrscheinlich kann sie gut sauber machen.” Der ältere Mann schmunzelte wieder.
“Verzeihen Sie meinem Vater. Er hat einen seltsamen Sinn für Humor. Ich bin Zane Best.” Er schüttelte Tracys Hand erstaunlich kräftig. Es war nicht so, als hätte er ihre Finger zu sehr gequetscht, aber trotzdem prickelte ihre Haut hinterher.
Dies war Zane? Ihr Arbeitgeber, der Rancher? So hatte sie ihn sich nicht vorgestellt. Eigentlich hatte sie gedacht, er würde wie J. R.s Vater in der Fernsehserie
Dallas
aussehen … grauhaarig, distinguiert, groß.
Das Einzige, was sie richtig geraten hatte, war das Letzte. Er musste mindestens eins fünfundachtzig groß sein und war so gut gebaut, dass Tracy, die frühere Etatleiterin in einer großen Werbeagentur, ihn am liebsten sofort in einem Werbespot für Jeans eingesetzt hätte.
Aber sie war nicht mehr in der Werbebranche. Und sie war auch nicht mehr verlobt. Dieses Leben lag hinter ihr. Sie hatte es in Chicago zurückgelassen, zusammen mit dem silbernen Teeservice und den böhmischen Kristallgläsern. Jetzt war sie ganz auf sich selbst gestellt und würde Haushälterin auf einer Ranch in Colorado werden.
Als ihre Tante Maeve es ihr vorgeschlagen hatte, hatte sie es für eine gute Idee gehalten. Herbert, Maeves frischgebackener Ehemann, hatte einen Cousin im Westen der USA, der eine Haushälterin suchte. Hatte Tracy sich nicht immer gewünscht, auf einer Ranch zu leben?
Zu dieser Zeit war es ihr am wichtigsten gewesen, dem Albtraum zu entfliehen, zu dem sich ihr früher einmal gut geplantes Leben entwickelt hatte. Und das wollte sie so schnell wie möglich. Also hatte sie zugesagt, ohne Fragen zu stellen. Maeve hatte angeboten, auf der Ranch anzurufen und ihre Nichte anzukündigen.
Tracy war mit dem Auto gefahren, statt zu fliegen, und hatte an diesem Tag wahrscheinlich länger hinterm Steuer ihres roten Wagens gesessen, als sie sollte. Und nach einer unruhigen Nacht in einem billigen Motel mitten in Nebraska hatte sie ihr Ziel noch am selben Tag erreichen wollen.
Der Wagen war voll bepackt. Inzwischen hatte ihr Exverlobter Dennis vermutlich bemerkt, dass einige Dinge fehlten, nicht zuletzt sie selbst.
Tracys Telefongespräch mit ihrer Tante hatte dazu geführt, dass sie sich
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