Die Braut des Normannen
Mann, den man mit einem Pfeil im Hinterteil von hier wegbrachte, hieß also Gregory?« erkundigte sich Hacon.
Ingelram funkelte den Diener zornig an, weil er es gewagt hatte, Gregorys Schande zu erwähnen, dann zwang er ihn, sich umzudrehen. Hacon stockte der Atem, als er den normannischen Anführer ansah. Er mußte den Kopf in den Nacken legen, um den Riesen, der Lederkleidung und ein Kettenhemd trug, ganz ins Auge fassen zu können. Hacon blinzelte, weil ihn die Sonnenstrahlen, die sich in den Waffen des Mannes spiegelten, blendeten. Weder der Krieger noch sein edles schwarzes Streitroß rührten sich von der Stelle, und einen flüchtigen Augenblick hatte Hacon den Eindruck, er würde eine in Stein gehauene Statue betrachten. Hacon gelang es, die Fassung zu wahren, bis der Normanne seinen Helm abnahm.
Ihm wurde sterbenselend – dieser Barbar jagte ihm höllische Angst ein. Hacon hätte am liebsten laut geschrien und um Gnade gefleht. Der Blick des Normannen war eiskalt und wirkte so entschlossen, daß Hacon keinen Zweifel hegte, sein Leben verwirkt zu haben. Ja, er wird mich töten, dachte Hacon und betete ein Vater Unser. Aber das würde ein ehrenvoller Tod sein, denn schließlich war Hacon wild entschlossen, seiner geliebten Herrin bis zu seinem letzten Atemzug beizustehen. Gott würde sicherlich für ihn ein Plätzchen im Himmel haben, weil er eine unschuldige, wehrlose Person beschützt hatte.
Royce starrte den zitternden Diener lange an, dann warf er dem Knappen seinen Helm zu, schwang sich aus dem Sattel und drückte einem Soldaten die Zügel in die Hand. Der Hengst bäumte sich auf, aber ein strenger Befehl seines Herrn brachte ihn augenblicklich zur Vernunft.
Hacons Knie wurden weich wie Butter, und er sank zu Boden. Ingelram riß ihn wieder auf die Füße. »Eine der Zwillingsschwestern ist in der Burg, Baron«, verkündete Ingelram. »Sie betet in der Kapelle.«
Hacon holte tief Luft, ehe er sich zu Wort meldete. »Die Kirche wurde bei der letzten Belagerung bis auf die Grundmauern abgebrannt.« Seine Stimme klang nur noch wie ein ersticktes Krächzen. »Gleich, als Schwester Danielle aus dem Kloster zu uns kam, ordnete sie an, den Altar in einem der Turmzimmer aufzustellen.«
»Danielle ist die Nonne«, erklärte Ingelram. »Es ist alles so, wie man es uns berichtet hat. Sie sind Zwillinge – eine ist eine Heilige und entschlossen, dem Wohl der Menschheit zu dienen, die andere ist eine Sünderin, die nichts anderes im Sinn hat, als uns Schwierigkeiten zu machen.«
Royce hatte noch immer kein Wort von sich gegeben und ließ den Diener nicht aus den Augen. Hacon konnte diesem finsteren Blick nicht lange standhalten und starrte zu Boden. Seine Hände verkrampften sich, als er flüsterte: »Schwester Danielle hat nichts mit diesem Krieg zwischen den Angelsachsen und den Normannen zu tun, und sie wünscht sich nichts sehnlicher, als in ihr Kloster zurückzukehren.«
»Ich suche die andere.« Die Stimme des Barons war leise und schneidend. Hacon drehte sich der Magen um.
»Er möchte die andere Zwillingsschwester haben«, brüllte Ingelram. Er wollte noch mehr sagen, aber der strenge Blick des Barons brachte ihn zum Schweigen.
»Die andere Schwester heißt Nichola«, sagte Hacon und schnappte nach Luft, ehe er fortfuhr: »Sie ist weg, Baron.«
Royce zeigte keinerlei Reaktion auf diese Neuigkeit, aber Ingelram konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. »Wie konnte sie die Festung verlassen?« erkundigte er sich lautstark, während er den alten Mann auf die Knie zwang.
»Es gibt viele Geheimgänge in den dicken Burgmauern«, gestand Hacon und richtete sich wieder auf. »Habt Ihr nicht bemerkt, daß kein einziger angelsächsischer Soldat da war, als Ihr die Zugbrücke überquert habt? Lady Nichola ist vor knapp einer Stunde mit den Soldaten ihrer Brüder aus der Festung geflohen.«
Ingelram schrie auf vor Zorn und drückte den alten Mann erneut auf die Knie.
Royce trat einen Schritt vor und warf seinem Gefolgsmann einen bösen Blick zu. »ihr beweist mir nicht Eure Stärke, wenn Ihr einen wehrlosen alten Mann mißhandelt, Ingelram. Im Gegenteil – Ihr zeigt nur, daß Ihr unfähig seid, Euch in Zaum zu halten, wenn Ihr meine Befragung auf diese Weise stört.«
Der Ritter war schwer getroffen nach dieser Rüge und beugte den Kopf vor dem Baron. Dann half er dem Alten auf die Füße.
Royce wartete, bis der junge Soldat sich ein paar Schritte von dem Diener entfernt hatte, bevor er Hacon wieder
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