Die Braut des Normannen
konzentrierte sich darauf, auf die Füße zu kommen. Die Wut verlieh ihm neue Kraft. Bei Gott, er würde den Bastard, der ihm das angetan hatte, ausfindig machen und es ihm mit gleicher Münze heimzahlen.
Dieser Gedanke hob seine Stimmung beträchtlich.
Sein Knappe hielt die Zügel des Streitrosses. Royce schwang sich in den Sattel und widmete seine Aufmerksamkeit dem Wehrgang auf der Burgmauer. Hatte sein Feind ihn von dort aus ins Visier genommen? Die Entfernung war zu groß, als daß er auch nur den Schatten einer Bedrohung hätte ausmachen können.
Er setzte seinen Helm auf und sah sich um. In den zehn oder fünfzehn Minuten, die seit seinem Sturz vergangen waren, schienen seine Soldaten alles vergessen zu haben, was er ihnen beigebracht hatte.
Ingelram, nach ihm der ranghöchste Mann der Truppe, hatte alle Männer auf der Südseite der Festung zusammengezogen und ließ sie in einer geschlossenen Truppe kämpfen. Feindliche Pfeile regneten auf sie von der Burgmauer herab und machten jeglichen Bodengewinn unmöglich.
Royce war entsetzt über diese Stümperei. Die Soldaten hielten sich die Schilde über die Köpfe, um die Pfeile abzuwehren, und wurden wieder einmal in die Defensive gedrängt wie schon am frühen Morgen, als er zu ihnen gestoßen war mit dem lästigen Auftrag, diesen unfähigen Burschen zum Sieg zu verhelfen.
Royce seufzte tief und übernahm das Kommando. Er änderte sofort die Taktik, damit sie den Boden, den sie gewonnen hatten, nicht wieder verloren. Mit zehn seiner zuverlässigsten Männer ritt er auf die kleine Anhöhe über der Festung. Noch bevor seine Soldaten Zeit hatten, auf die Feinde anzulegen, tötete Royce einen der angelsächsischen Soldaten, die auf der Burgmauer standen, mit seinem Pfeil. Dann gab er den Befehl, die Angelsachsen unter ständigem Beschuß zu halten. In kürzester Zeit schalteten sie die Verteidiger aus, und der Wehrgang war schließlich unbesetzt.
Fünf von Royces Männern kletterten auf die Mauer und durchschnitten die Seile der Zugbrücke, so daß sie sich senkte. Gott helfe ihm, aber er mußte doch tatsächlich einen der eifrigen Eroberer daran erinnern, sein Schwert mitzunehmen, um die Burg erfolgreich stürmen zu können.
Royce ritt als erster über die Holzplanken der Zugbrücke – mit gezogenem Schwert, obwohl offensichtlich dazu keinerlei Notwendigkeit bestand, da sowohl der untere als auch der obere Burghof menschenleer waren.
Die Eroberer durchsuchten die Hütten und Außengebäude, entdeckten aber nicht einen einzigen angelsächsischen Soldaten, und Royce wurde klar, daß die Feinde die Festung durch einen Geheimgang verlassen haben mußten. Er gab der Hälfte seiner Männer den Befehl, die Mauern nach versteckten Öffnungen abzusuchen, die er sofort wirksam verschließen wollte.
Die Normannen besetzten die Festung und hißten Williams Banner am Fahnenmast auf der Burgmauer. Jetzt gehörte diese Festung den Normannen.
Aber Royce hatte erst die Hälfte seiner Pflichten erfüllt, er mußte noch die Kriegsbeute aufspüren und nach London bringen. Ja, es wurde Zeit, Lady Nichola gefangenzunehmen.
Bei einem Streifzug durch die Wohnräume spürten Royces Männer nur eine Handvoll Bedienstete auf, die sogleich rüde auf den Hof gezerrt und umzingelt wurden.
Ingelram, der ebenso hochgewachsen war wie Royce, aber weder so kräftig noch von so vielen Schlachten gezeichnet war, hielt einen der angelsächsischen Diener am Schlafittchen fest. Der Bedienstete war ein älterer Mann mit schütterem grauen Haar und runzliger Haut.
Royce hatte nicht einmal Zeit abzusitzen, ehe Ingelram loslegte: »Das ist der Haushofmeister, Baron. Sein Name lautet Hacon, und er ist der Mann, der Gregory alles über die Familie erzählt hat.«
»Ich habe nie mit irgendeinem Normannen gesprochen«, protestierte Hacon. »Und ich kenne keinen Menschen, der Gregory heißt. Der Blitz soll mich treffen, wenn das nicht die Wahrheit ist«, fügte er trotzig hinzu.
Der »ergebene« Diener log, und er war sogar stolz, daß er unter diesen schrecklichen Umständen so mutig auftrat. Der alte Mann hatte noch keinen Blick auf den Anführer der Normannen geworfen, aber er behielt den eilfertigen blonden Ritter, der unaufhörlich an seiner Jacke zerrte, im Auge.
»Oh, du hast mit Gregory gesprochen«, erwiderte Ingelram entschieden. »Er war der erste Ritter, der diese Festung einnehmen und die Beute einfordern sollte. Du wirst es noch bereuen, wenn du uns anlügst, alter Mann.«
»Der
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