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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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und kein Wolf Heart dort war, um sie willkommen zu heißen? Nach tagelangem Ringen war sie endlich zu einer Antwort gekommen. Sie kehrte nicht nur zu dem Mann zurück, den sie liebte. Sie kehrte zurück zum Leben der Shawnee. Sie würde als Heilerin bei dem Volk bleiben, und sie würde Wolf Hearts Kind bei ihnen aufziehen.
    Aber zu leben, ohne ihn zu sehen … ohne ihn halten zu können …
    Noch immer schaute Clarissa auf das vorbeiziehende Ufer und betete stumm.
    Die Sonne stand schon tief am grauen Novemberhimmel, als sie die Mündung des kleinen Nebenarms sah. Ihre kalten Lippen öffneten sich, als ihr eine Erinnerung durch den Kopf schoss – die Wettfahrt der Kanus, die singenden Krieger und Cat Followers vergnügtes Lachen. Sie war endlich wieder zu Haus.
    Ein paar Minuten später half man ihr ohne weitere Förmlichkeiten ans Ufer. Die furchtsamen Männer brachten das Boot sofort wieder in die Flussmitte, denn sie konnten es kaum erwarten, auf sicheren Abstand zu den Shawnee zu gehen. Sie würden flussaufwärts rudern bis zu einer der entlegenen Niederlassungen, die auf der Route nach Fort Pitt aus dem Boden geschossen waren. Wenn sie Glück hatten, würde es ihnen gelingen, dort ihre Boote gegen Pferde einzutauschen, um den Rest des Weges schnell zurücklegen zu können.
    Clarissa durfte das kostbare Tageslicht nicht damit verschwenden, ihnen nachzuschauen. Die Sonne hatte inzwischen eine tiefrote Farbe angenommen. Wenn sie sich jetzt nicht sofort auf den Weg machte, würde sie das Dorf nicht vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.
    Sie schulterte ihr Bündel, das kaum mehr enthielt als Kekse, ein paar notwendige Kleinigkeiten und bescheidene Geschenke für ihre Freunde, und stieg mit großen Schritten die Uferböschung hinauf. Als sie den vertrauten Weg am Flussufer erreichte, atmete sie schwer. Die langen müßigen Monate in Baltimore und ihre Schwangerschaft machten ihr jetzt zu schaffen. Doch das war nicht von Bedeutung. Auch wenn ihr das Gehen schwer fiel, das Dorf war höchstens noch eine Stunde entfernt. Bald würde der Wind den köstlichen Duft von geröstetem Mais und Rehfleisch zu ihr tragen. Die Vögel würden von den Baumwipfeln herab ihr Willkommenslied singen. Sie würde das Lachen und Rufen der Kinder hören und wissen, dass Dancing Fox endlich nach Haus gekommen war.
    Bitte lass Wolf Heart da sein! betete sie stumm. Bitte lass ihn heil und gesund sein! Mach, dass er mich immer noch will!
    Schweigen lag über dem Zwielicht, und die Schneeflocken rieselten weich vom Himmel.
    Inzwischen hatte Clarissa die Hälfte des Wegs zurückgelegt, doch noch immer hatte sie kein Kanu auf dem Wasser gesehen oder eine frische Spur auf dem Boden entdeckt. Das einzige Geräusch, das ihr Ohr erreichte, war das Rauschen fließenden Wassers, das dann und wann von dem melancholischen Schrei einer am Himmel kreisenden Krähe übertönt wurde.
    Dennoch war gewiss alles in Ordnung – es musste einfach so sein. Jeden Moment würde sie das Bellen eines Hundes hören oder die gekräuselte Rauchsäule eines Kochfeuers sehen. Und gleich würde jemand sie von der Felskuppe aus entdecken. Er würde einen schallenden Ruf ausstoßen, und die Leute würden den Weg heruntergerannt kommen, um sie zu empfangen.
    Clarissa durchquerte die Gärten, wo nichts mehr wuchs außer ein paar vereinzelten Maisstauden, die von der letzten Ernte übrig geblieben waren, und einige Kürbisranken, die vom Frost ganz braun waren.
    Vor ihr erhob sich die hohe Uferböschung, die ihr den Blick auf das Dorf verwehrte. Clarissas Herz klopfte laut, als sie die letzten paar Schritte des Wegs hinaufstieg. Bald würde sie warm und in Sicherheit sein: bei Wolf Heart und ihrem Volk.
    Als sie oben ankam, blieb sie wie angewurzelt stehen.
    Das Dorf war fort!
    Ihr Blick glitt über den verlassenen verödeten Ort – die nackten Holzrahmen der Hütten, von denen die Rinden abgerissen waren, die schwarzen Feuerstellen, die sich allmählich mit Schnee füllten, die leere Ratshütte, deren Boden mit Blättern bedeckt war, die durch die offenen Fenster und die Tür hineingeweht waren. Clarissa rang nach Atem und starrte entsetzt und ungläubig auf das sich ihr bietende Bild.
    Eine Erinnerung regte sich in ihrem Unterbewusstsein, etwas, das sie einmal gehört und dann wieder vergessen hatte. Was war es noch? Verzweifelt zermarterte sie sich das Hirn, und als es ihr wieder einfiel, ließ sie sich bestürzt zu Boden sinken.
    Das Winterlager! Jemand, vermutlich Wolf

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