Die brennende Gasse
jedermanns Hornhaut. «
» Tja «, der Mann grinste, » aber ich habe das Programm wieder eingeführt. Heimlich; die Datenbank denkt, es sei eine ganz gewöhnliche Dateneingabe. «
» Sie können doch unmöglich dieses Hornhautprogramm in die Finger bekommen haben. «
» Da haben Sie selbstverständlich recht. Ich bin ein viel zu unangenehmer Charakter, als daß es mir jemals jemand verkaufen würde. Aber «, erläuterte er, noch immer grinsend, » ich brauchte es gar nicht in die Finger zu bekommen. Wissen Sie, ich war derjenige, der es ursprünglich geschrieben hat. «
Ein paar Minuten später war sie drin, wie er versprochen hatte. Der Hacker schaute auf die Uhr. » Sie haben dreißig Minuten «, erinnerte er sie. » Bon voyage! «
D iesmal fühlte es sich an wie ein Wunderland. Aber Janie gestattete sich nicht, ziellos umherzuwandern – das wäre ein großer Luxus gewesen. Sie gab die Codierung des Gensegments ein, die Kristina ihr geschickt hatte, und forderte Big Dattie auf, es zu finden. Das würde eine lange Suche in Millionen von Dateien auslösen, und Janie betete um ein Ergebnis.
Fünfzehn kostbare Minuten vergingen. Nervös tappte sie mit dem Fuß und kaute an ihren Fingernägeln, während vor ihr auf dem Bildschirm Zahlenreihen in unlesbarer Geschwindigkeit vorbeihuschten. Nach der sechzehnten Minute erschien eine Botschaft auf dem Bildschirm:
SECHS ENTSPRECHUNGEN GEFUNDEN
Wenn sie von einer der Entsprechungen eine Gewebeprobe bekommen konnten, konnten sie das erforderliche Gen isolieren, so replizieren, daß der Defekt verschwand, und dem kranken Jungen das intakte Gen wieder einpflanzen. Selbst wenn sie nie dahinterkamen, wer für diese Travestie verantwortlich war, konnten sie sie immerhin rückgängig machen. Ihr Herz begann bei dem Gedanken zu rasen, daß ein Teilerfolg ihrer Suche nahe bevorstand.
Anzeigen, gab sie ein.
Sechs Namen und sechs Adressen erschienen auf dem Schirm. Nach jedem der Einträge folgte ein großes, rotes V.
Verstorben.
Ungläubig starrte sie auf den Bildschirm. Ihr sank das Herz. Rasch musterte sie die Lebensläufe: zwei erwachsene Männer, ein männlicher Säugling, drei männliche Jugendliche. Wie konnten sie alle tot sein?
Dumme Frage, entsetzliche Antwort: Die Hälfte der Bevölkerung war gestorben. Und diese sechs gehörten alle dieser Hälfte an. Statistisch war das nicht unwahrscheinlich.
Trotzdem fühlte sie sich enttäuscht und entmutigt. Janie hätte am liebsten geweint. Doch in einem Lokal wie dem, in dem sie sich befand, wäre das ein Signal für den nächstbesten Verlierer, spornstreichs zu ihr zu eilen. Sie kniff die Augen zu, bis die Tränen versiegt waren, und machte weiter.
Konnte einer dieser Jungen exhumiert wer den, wenn er durch begraben und nicht verbrannt worden war? Vielleicht, aber das schien sehr ungewiß. Als MR SAM sowild gewütet hatte, hatte er bevorzugt die offene Einladung angenommen, die so oft von Heranwachsenden mit ihren schmutzigen Händen und laufenden Nasen ausging, und hatte sie mit Appetit verzehrt, von innen nach außen, zuerst die Leber, dann die Nieren, dann das Zwerchfell …
Aber vielleicht war einer von ihnen an etwas anderem gestorben, einer weniger gräßlichen Krankheit, die keine Verbrennung nötig machte. Irgendwo gab es möglicherweise eine Leiche, der sie die einzelne Zelle entnehmen konnte, die sie brauchte. Aber als sie einen raschen Blick in die Dateien aller Genträger warf, bestätigte sich nur, was sie bereits vermutet hatte – die Todesursache bei sämtlichen sechs Personen, auch bei den Jungen, war eine massive, gegen Medikamente resistente Infektion mit Staphylokokken gewesen. Es gab also keine Leichen mehr.
Sie probierte noch ein paar andere Dinge, um vielleicht doch noch einen Spender zu finden, aber alle Versuche scheiterten. In der verbleibenden Zeit konnte sie nur noch nach der Information fahnden, die sie ursprünglich gewollt, aber für die leider fruchtlose Suche zunächst hintangestellt hatte.
Einen nach dem anderen gab sie die Namen der fünfzehn Orthopäden ein, die sie von der AMA erhalten hatte. Dann bat sie die Datenbank, ihr die Liste früherer und gegenwärtiger Projekte zur Genveränderung zu liefern, die irgend etwas mit Knochengewebe zu tun haben könnten. Es erschienen mehrere, darunter auch zwei von der Stiftung.
Diese Dateien richtete sie zum Kopieren her, griff in ihre Tasche und nahm eine Speicherdiskette heraus. Sie versuchte, sie in das Laufwerk zu schieben.
Aber
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