Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
ihnen ebenso wenig wie ih ren Feinden, den verhassten Kreuzrittern. Gut zwei Dutzend Krieger hatten es schon auf die Templerschanze geschafft und gerade tauchte über der Mauer auch schon der Kopf des ersten Sarazenen auf, der an der Festungsmauer auf einer der Sturmleitern hochgeklettert war, als die Ritter endlich heran wa ren und mit ganzer Stärke zum Gegenangriff übergehen konnten. Nun erschallte der donnernde Schlachtruf der Templer, der seit fast zwei Jahrhunderten jeden Angriff der Kriegermönche beglei tete und der ihren Feinden noch jedes Mal durch Mark und Bein gegangen war: »Beauséant alla riscossa!*«
* Dieser ursprüngliche Hilferuf in Bedrängnis geratener Templer, »Her zum Ent satz und auf zur Rückeroberung!«, wurde zum Schlachtruf der Kriegermönche.
Der auf beiden Seiten mit unbarmherziger Härte und Grausamkeit geführte Kampf Mann gegen Mann begann. Jede Seite wusste, dass schon die nächsten Minuten die Entscheidung über Gelingen oder Scheitern dieses Überraschungsangriffs brachten – und damit über das Schicksal von ganz Akkon. Gelang es der ersten Welle der arabischen Krieger, dem wütenden Ansturm der Ritter und ihrer Hilfstruppen lange genug standzuhalten und auf dem Wall Fuß zu fassen, damit weitere Krieger über die Fallbrücke und die Sturmleitern zu ihnen auf den Wehrgang fluten konnten, dann war der Dammbruch kaum noch aufzuhalten. Vermochten dagegen die Templer die Muslims gleich in den ersten Minuten an die Mauer zurückzudrängen und jegliche Verstärkung über die Fallbrücke zu verhindern, dann wurde der Belagerungsturm für alle, die sich darin oder auf der Fallbrücke befanden, zu einer tödlichen Falle. Denn schon flogen die ersten Brandpfeile. Sie spickten das hölzerne Ungetüm und setzten mehr Brände, als die Feinde zu löschen vermochten. Die Ritter wussten nur zu gut, was für sie und die Stadt auf dem Spiel stand. Und so warfen sie sich mit Todesmut und unbändigem Kampfeswillen den Muslims entgegen. Von drei Seiten schlossen sie ihre Feinde ein, um sie in ihrer Bewegungsfreiheit auf dem Wehrgang einzuschränken und ein zügiges Nachrücken der Krieger auf dem Turm unmöglich zu machen. Während die Bogenschützen sich nach hinten zurückzogen, auf die Zinnen sprangen und von dort ihre Pfeile auf die über die Fallbrücke nachdrängenden Sarazenen abschossen, übernahmen die Schwert- und Lanzenkämpfer die vordersten Reihen. Die Luft war erfüllt von einem wilden, barbarischen Gebrüll, in das sich das Splittern von Schilden und Lanzen, Flüche, gellende Schmerzensschreie, das Sirren der Pfeile, die dumpfen Aufschlä ge niederstürzender Körper, ersticktes Röcheln und das unablässige Klirren von scharf geschliffenem Stahl auf Stahl mischten. Gerolt geriet schnell inmitten des vorderen Kampfgetümmels. Sein Herz jagte, laut rauschte das Blut in seinen Ohren und jede Faser seiner Körpers befand sich in höchster Anspannung, aber sein Schwert führte er mit kühlem Kopf. Er wusste aus Erfahrung, dass man in solch einem Nahkampf keine zweite Chance erhielt, wenn man einen Gegner falsch einschätzte und einen Fehler machte. »Such die Augen deines Feindes, halte sie fest und lies in ihnen! Dann wirst du wissen, was er vorhat und wie er seine Waffe führen wird!«, hatte ihm sein Vater schon von Kindesbeinen an eingeschärft. »Aber lerne auch, gleichzeitig das Geschehen zu deiner Rechten und Linken im Auge zu behalten! Oft genug ist es nicht das Schwert des Gegenübers, das den Tod bringt, sondern die Lanze oder die Streitaxt des Feindes an den Flanken! Und das Geheimnis des Sieges liegt weder in der Kraft noch in der Geschicklichkeit. Diese beide sind nur die gefolgsamen Knechte ihres Meisters – und der trägt den Namen kühler Verstand! Nur ein Dummkopf lässt sich im Kampf von Zorn oder Hass leiten. Und Dummköpfe, die zum Schwert greifen, leben nicht sehr lange!« Diese und andere Lehren sowie die Kunst, ein Schwert meisterhaft zu führen, waren das Beste, aber eigentlich auch das Einzige, was er von seinem Vater mitbekommen hatte und wofür er ihm dankbar sein konnte. Ob das auch die vielen brutalen Schläge aufwog, die er so oft von ihm bezogen hatte, sowie die schmerzliche Gleichgültigkeit an seiner Person und seiner Zukunft, darüber war er noch zu keinem abschließenden Urteil gelangt. Vielleicht wäre vieles ganz anders gekommen, wenn die Mutter nicht schon so früh gestorben wäre. Gerolt trieb die Araber auf seiner Seite mit einem Hagel kurzer,
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