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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Den
Schwestern, die beauftragt waren, nach mir zu sehen, fiel
»Orr« als der erste mit einem O beginnende Name ein. Die
Tradition gesteht ihnen das Recht zu, Findlinge zu benennen, und da
ich ohne irgendeine Art von Identifikation entdeckt wurde, dehnte man
dieses Recht auf mich aus.
    Meine Brust, darf ich hinzufügen, schmerzt gelegentlich, als
sei dieses merkwürdige, unerklärliche Mal in seiner ganzen
vielfarbigen Pracht immer noch da. Ich brauche kaum zu erwähnen,
daß ich auch Kopfverletzungen hatte. Ursprünglich wurde
angenommen, sie seien der Grund für meine Amnesie. Dr. Joyce
neigt dazu, den Schmerz, den ich in meiner Brust spüre, dem
gleichen Trauma zuzuschreiben, das meinen Gedächtnisverlust
hervorgerufen hat. Er glaubt, meine Unfähigkeit, mich an mein
früheres Leben zu erinnern, sei weniger auf die Kopfverletzungen
zurückzuführen, als vielmehr auf einen anderen, vielleicht
damit verbundenen psychischen Schock, und die Antwort auf die Frage,
die meine Amnesie aufwirft, könne in meinen Träumen
gefunden werden. Darum hat er meine Behandlung übernommen: Ich
bin ein »interessanter Fall«, eine Herausforderung. Er will
meine Vergangenheit für mich entdecken, ganz gleich, wie lange
es dauert.
     
    Im Vorzimmer des Doktors treffen wir den widerwärtigen jungen
Mann an, der der Empfangschef des Doktors ist. Er ist ein heiterer
und strahlender Bursche, immer mit einem Scherz oder einem Bonmot auf
den Lippen, immer bereit, Kaffee oder Tee zu besorgen und den Leuten
in ihre Mäntel hinein- oder herauszuhelfen. Er ist niemals
trübsinnig oder mürrisch, grob oder unliebenswürdig,
und er ist immer interessiert an dem, was Dr. Joyces Patienten zu
sagen haben. Er ist schlank, adrett gekleidet, gut manikürt; er
trägt einen angenehm unauffälligen Duft, der sparsam, aber
wirkungsvoll appliziert ist, und sein Haar ist elegant, ohne
künstlich zu wirken. Muß ich noch hinzufügen,
daß ihn jeder einzelne von Dr. Joyces Patienten, mit dem ich
jemals gesprochen habe, von Herzen verabscheut?
    »Doktor!« ruft er, »wie schön, Sie
wiederzusehen! Hat Ihnen Ihr Spiel Spaß gemacht?«
    »O ja«, antwortet der Doktor ohne Begeisterung und sieht
sich im Wartezimmer um. Es sind nur zwei weitere Personen anwesend:
ein Polizist und ein dünner, besorgt wirkender Mann mit
schlimmen Schuppen. Der besorgt wirkende Mann sitzt mit geschlossenen
Augen auf einem des halben Dutzends oder so Stühle im Raum. Der
Polizist sitzt auf ihm und trinkt eine Tasse Kaffee. Dr. Joyce nimmt
dieses Arrangement zur Kenntnis, ohne ihm einen zweiten Blick zu
widmen. »Irgendwelche Anrufe?« fragt er den
widerwärtigen jungen Mann, der leicht vorgebeugt dasteht, die
Fingerspitzen beider Hände aneinandergelegt.
    »Keiner davon dringend, Sir; ich habe Ihnen eine
chronologische Liste auf den Schreibtisch gelegt, mit
Vorschlägen über die Prioritäten der Rückrufe
– in aufsteigender Ordnung – am linken Rand. Eine Tasse
Tee, Dr. Joyce? Kaffee vielleicht?«
    »Nein, danke.« Dr. Joyce winkt den widerwärtigen
jungen Mann zur Seite und entflieht in sein Sprechzimmer.
    Ich reiche dem W.J.M. meinen Mantel, und er sagt: »Guten Morgen, Mr. Orr! Darf ich Ihnen den… oh, ich danke Ihnen! Hat Ihnen das Spiel Spaß gemacht, Mr. Orr?«
    »Nein.«
    Der Polizist sitzt weiter auf dem dünnen Mann mit den
Schuppen. Er wendet den Blick mit einem Ausdruck, der irgendwo
zwischen Verdrießlichkeit und Verlegenheit liegt, zur
Seite.
    »Ach du meine Güte«, der junge Empfangschef ist
untröstlich, »wie leid es mir tut, das zu
hören, Mr. Orr. Könnte Sie vielleicht ein
Täßchen von irgendwas aufheitern?«
    »Nein, danke.« Ich eile durch das Zimmer, um mich dem
Doktor in seinem Sprechzimmer anzuschließen. Dr. Joyce sieht
sich die priorisierte Liste an, die unter einem Briefbeschwerer auf
der Schreibunterlage seines eindrucksvoll großen Schreibtischs
liegt.
    »Dr. Joyce«, frage ich, »warum sitzt in Ihrem
Vorzimmer ein Polizist auf einem Mann?«
    Er sieht auf die Tür, die ich soeben geschlossen habe.
    »Oh…« – er wendet sich wieder der getippten
Liste zu – »das ist Mr. Berkeley; er hat einen
nicht-spezifischen Wahn. Hält sich ständig für
irgendein Möbelstück.« Er runzelt die Stirn, tippt mit
einem Finger auf einen Eintrag der Liste. Ich lasse mich in einem
unbesetzten Sessel nieder.
    »Tatsächlich?«
    »Ja; es variiert von Tag zu Tag, für was er sich
hält. Wir sagen demjenigen, der ihn bewacht, er solle, wenn
möglich, auf ihn

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