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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Aljoschas Herzen. Sein Herz war so übervoll, daß es ihn schmerzte. Tränen der Verzückung drangen aus seiner Seele. Er breitete die Arme aus, schrie auf und erwachte ... Da war wieder der Sarg und das geöffnete Fenster und die Stimme, die ruhig, ernst und deutlich das Evangelium las. Aber Aljoscha hörte nicht mehr, was gelesen wurde. Seltsam: er war auf den Knien eingeschlafen, und jetzt stand er auf den Beinen, trat rasch, wie wenn er sich von seinem Platz losriß, mit drei festen, schnellen Schritten dicht an den Sarg heran. Er stieß sogar mit der Schulter Vater Paissi an, ohne es zu merken. Dieser hob für einen Moment die Augen vom Buch auf und sah ihn an, wandte sich jedoch sogleich wieder ab, da er begriff, daß mit Aljoscha etwas Besonderes vorgegangen sein mußte. Aljoscha schaute lange auf den Sarg, auf den verhüllten, regungslos im Sarg liegenden Toten mit dem Christusbild auf der Brust und der Kapuze mit dem achteckigen Kreuz auf dem Kopf. Soeben hatte er seine Stimme gehört, und diese Stimme hallte noch in seinen Ohren nach. Er lauschte noch, erwartete noch weitere Worte. Doch auf einmal drehte er sich kurz um und verließ die Zelle.
    Auch auf den Stufen vor der Eingangstür blieb er nicht stehen, sondern stieg sie schnell hinab. Seine von Freude erfüllte Seele dürstete nach Freiheit, nach Weite. Über ihm wölbte sich breit und unüberschaubar die Himmelskuppel, voll von stillen, glänzenden Sternen. Vom Zenit zum Horizont zog sich, undeutlich noch, die doppelte Milchstraße hin. Eine frische, regungslos stille Nacht hatte sich über der Erde gelagert. Die weißen Türme und die goldenen Kuppeln der Klosterkirche hoben sich leuchtend von dem saphirfarbenen Himmel ab. Die prächtigen Herbstblumen auf den Beeten um das Haus herum waren entschlummert, um erst am Morgen wieder zu erwachen. Die Stille der Erde schien mit der Stille des Himmels zusammenzufließen, das Geheimnis der Erde berührte sich mit dem der Sterne ...
    Aljoscha stand und schaute und warf sich plötzlich wie niedergemäht auf die Erde. Er wußte nicht, warum er sie umarmte; er gab sich keine Rechenschaft darüber, warum es ihn so unwiderstehlich verlangte, sie zu küssen. Er küßte sie weinend und schwor in seiner Begeisterung, sie zu lieben, in alle Ewigkeit zu lieben. ›Benetze die Erde mit deinen Freudentränen und liebe diese deine Tränen!‹ So klang es in seiner Seele. Worüber weinte er? Er weinte in seiner hingebungsvollen Freude sogar über diese Sterne, die ihn aus der endlosen Weite anstrahlten und er schämte sich dieser Verzückung nicht. Er hatte das Gefühl, als träfen Fäden von all diesen zahllosen Gotteswelten gleichzeitig in seiner Seele zusammen, als würde sein ganzes Ich von der Berührung mit anderen Welten geradezu körperlich betroffen. Es verlangte ihn, allen alles zu verzeihen, und um Verzeihung zu bitten: nicht für sich, sondern für alle und alles. ›Für mich werden auch andere bitten!‹ klang es wieder in seiner Seele. Doch mit jedem Augenblick fühlte er deutlicher und sozusagen greifbarer, daß etwas seine Seele erfüllte, was so fest und unerschütterlich war wie dieses Himmelsgewölbe. Eine bestimmte Idee übernahm die Herrschaft über seinen Geist, und zwar für sein ganzes Leben und in alle Ewigkeit Er hatte sich auf die Erde geworfen als ein schwacher Jüngling und stand auf als ein für das ganze Leben gefestigter Kämpfer – und er war sich dessen bewußt, sofort, in eben diesem Moment der Verzückung. Und niemals in seinem weiteren Leben konnte Aljoscha diesen Augenblick vergessen. »In jener Stunde hat jemand meine Seele heimgesucht!« sagte er später einmal. Und er glaubte fest an die Wahrheit dieser seiner Worte.
    Drei Tage danach trat er aus dem Kloster aus: der Weisung des verstorbenen Starez folgend, der ihm befohlen hatte, in der Welt zu leben.
Achtes Buch
Mitja
1. Kusma Samsonow
    Dmitri Fjodorowitsch, dem Gruschenka als letzten Gruß hatte bestellen lassen, er möge sein Leben lang an das Stündchen denken, als sie ihn geliebt hatte, war in diesem Augenblick ebenfalls in Unruhe und Sorge, obwohl er nichts von dem wußte, was mit ihr vorgefallen war.
    In den letzten zwei Tagen hatte er sich in einem so unbeschreiblichen Zustand befunden, daß er tatsächlich an Gehirnentzündung hätte erkranken können, wie er selbst später sagte. Aljoscha hatte ihn am Vormittag des vorhergehenden Tages nicht finden können, und seinem Bruder Iwan war es am selben Tag nicht gelungen,

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