Die Brüder Karamasow
schändlichen Preis!«
»Was habe ich dir denn Gutes getan?« antwortete Aljoscha gerührt, wobei er sich zu ihr hinabbeugte und zärtlich ihre Hand ergriff. »Ich habe dir eine Zwiebel gereicht, eine einzige winzige Zwiebel, weiter nichts, weiter nichts!«
In diesem Augenblick ertönte plötzlich Lärm auf dem Flur; jemand kam ins Vorzimmer. Gruschenka sprang erschrocken auf. Laut kam Fenja ins Zimmer gelaufen.
»Gnädiges Fräulein, Täubchen, gnädiges Fräulein! Die Stafette ist da!« rief sie außer Atem. »Ein Reisewagen aus Mokroje will Sie abholen, der Kutscher Timofej mit einer Troika, es werden schon Pferde angespannt ... Ein Brief, gnädiges Fräulein, hier ist ein Brief!«
Sie hatte den Brief in der Hand und schwenkte ihn die ganze Zeit in der Luft umher. Gruschenka entriß ihr den Brief und trug ihn an die Kerze. Es war nur ein Zettelchen mit wenigen Zeilen, sie hatte es im Nu durchgelesen.
»Er hat mich gerufen!« schrie sie. Sie war ganz blaß geworden, und ihr Gesicht verzog sich zu einem schmerzlichen Lächeln. »Er hat gepfiffen. Krieche hin, Hündchen!«
Aber nur einen Augenblick schien sie unentschlossen. Mit einem mal stieg ihr das Blut in den Kopf und färbte ihre Wangen dunkelrot.
»Ich werde fahren!« rief sie plötzlich. »Ihr meine fünf Jahre, lebt wohl! Lebe wohl, Aljoscha, mein Schicksal ist entschieden! Geht weg, geht jetzt alle von mir weg, damit ich euch nie mehr sehe! Gruschenka ist zu einem neuen Leben davongeflogen ... Behalt auch du mich nicht in schlechter Erinnerung, Rakitka! Vielleicht gehe ich in den Tod! Ich bin wie betrunken!«
Sie verließ die beiden unvermittelt und lief in ihr Schlafzimmer.
»Na, um uns kümmert die sich jetzt nicht mehr!« brummte Rakitin. »Wir wollen gehen, sonst fängt womöglich dieses Weibergeschrei wieder an. Dieses Weinen und Schreien hängt mir schon zum Halse heraus!«
Aljoscha ließ sich mechanisch hinausführen. Auf dem Hof stand ein Reisewagen, die Pferde wurden ausgespannt, Leute liefen mit Laternen, es war ein geschäftiges Treiben. Durch das geöffnete Tor wurde ein frisches Dreigespann hereingeführt.
Doch kaum waren Aljoscha und Rakitin aus der Haustür getreten, öffnete sich ein Fenster in Gruschenkas Schlafstube, und sie rief Aljoscha mit lauter Stimme nach: »Aljoschetschka, grüß deinen Bruder Mitenka und sag ihm, er möchte, obwohl ich ihm Übles angetan habe, nicht im Bösen an mich denken! Und bestell ihm von mir mit meinen Worten: Gruschenka ist einem Schuft zugefallen und nicht dir edeldenkendem Menschen! Und füge noch hinzu, daß Gruschenka ihn ein Stündchen lang geliebt hat, nur ein Stündchen lang, und er soll sich an dieses Stündchen von nun an sein Leben lang erinnern! Sag ihm, mit diesen Worten habe Gruschenka es dir aufgetragen: ›Sein Leben lang‹ ...«
Sie konnte zuletzt kaum noch reden. Das Fenster wurde wieder zugeschlagen.
»Hm, hm!« brummte Rakitin lachend. »Sie hat deinem Bruder Mitenka den Todesstoß versetzt und bittet ihn nun noch, sein Leben lang an sie zu denken. So eine raffinierte Grausamkeit!«
Aljoscha gab keine Antwort, als ob er nichts gehört hätte. Wie in großer Eile lief er neben Rakitin; er schien alles um sich vergessen zu haben und ging nur mechanisch.
Rakitin fühlte plötzlich einen Stich, als hätte man seine frische Wunde mit dem Finger berührt. Als er vorhin Gruschenka mit Aljoscha zusammenbrachte, hatte er etwas ganz anderes erwartet.
»Er ist ein Pole, ihr Offizier«, begann er wieder, sich mit Mühe beherrschend. »Aber er ist jetzt überhaupt nicht Offizier. Er war Zollbeamter in Sibirien, irgendwo da an der chinesischen Grenze, sicher ist er so ein kläglicher kleiner Polacke. Es heißt, er hat seine Stelle verloren. Nun hat er gehört, daß Gruschenka in den Besitz eines Kapitals gelangt ist, und da ist er zurückgekehrt – das ist das ganze Wunder.«
Aljoscha schien wieder nichts gehört zu haben. Rakitin konnte sich nun nicht mehr beherrschen: »Na, hast du eine Sünderin bekehrt?« fragte er Aljoscha boshaft. »Hast du eine Hure auf den Weg der Wahrheit zurückgeführt? Hast du sieben Teufel ausgetrieben, he? Da haben sich ja unsere vorhin vergeblich erwarteten Wunder nun doch vollzogen!«
»Hör auf, Rakitin«, erwiderte Aljoscha schmerzerfüllt.
»Du verachtest mich wohl jetzt wegen der fünfundzwanzig Rubel von vorhin? Ich habe nach deiner Auffassung einen wahren Freund verkauft, wie? Aber du bist ja nicht Christus, und ich bin nicht Judas!«
»Ach,
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