Die Brüder Karamasow
schien Mitjas Miene entnommen zu haben, daß er keinen Streit wollte, und betrachtete ihn nun mit starker Neugier und immer noch mit einer gewissen Unruhe. Er hatte etwas an sich, was sie überraschte, und überhaupt hatte sie nicht erwartet, daß er jetzt hereinkommen und so reden würde.
»Guten Abend!« sagte von links auch der Gutsbesitzer Maximow in süßlichem Ton.
Mitja stürzte auch zu ihm hin. »Guten Abend! Sind Sie auch hier? Wie freue ich mich, daß auch Sie hier sind! Meine Herren, meine Herren, ich ...« Er wandte sich von neuem an den Herrn mit der Pfeife, den er hier offenbar für die Hauptperson hielt. »Ich bin hergeeilt ... Ich wollte meinen letzten Tag und meine letzte Stunde in diesem Zimmer verleben. In diesem Zimmer, in dem ich früher einmal meine Königin angebetet habe! Verzeihen Sie, Panie« rief er außer sich. »Ich bin hierher geeilt und habe mir geschworen ... Oh, seien Sie unbesorgt, das ist meine letzte Nacht! Lassen Sie uns zur Feier des Friedensschlusses trinken, Panie! Man wird gleich Wein bringen ... Ich habe das hier mitgebracht.« Er zog sein Päckchen Banknoten aus der Tasche. »Erlauben Sie, Panie! Ich möchte Musik haben, Fröhlichkeit und Lärm ... Alles wie voriges Mal ... Aber der Wurm, der unnütze Wurm wird über die Erde kriechen und nicht mehr sein! In meiner letzten Nacht will ich mich an den Tag meiner Freude erinnern!«
Er konnte kaum noch atmen; er wollte vieles, vieles sagen, doch nur seltsame Ausrufe kamen aus seinem Mund. Der Pan sah regungslos ihn und das Päckchen Banknoten und dann Gruschenka an und war offenbar ratlos vor Verwunderung.
»Wenn meine Krolowa erlaubt ...«, begann er.
»Ach was, Krolowa! Das soll wohl Königin heißen, nicht wahr?« unterbrach ihn Gruschenka. »Ihr kommt mir komisch vor, wie ihr alle sprecht. Setz dich hin, Mitja, was redest du da? Bitte, erschreck uns nicht! Du wirst uns doch nicht erschrecken, wie? Wenn du das nicht vorhast, freue ich mich über dein Kommen ...«
»Ich, ich euch erschrecken?« rief Mitja und warf beide Arme in die Höhe. »Oh, geht vorbei, geht vorüber, ich werde euch nicht stören!« Und unerwartet für alle – und sicherlich auch für sich selbst – warf er sich auf einen Stuhl und brach in Tränen aus, wobei er den Kopf zur gegenüberliegenden Wand drehte und die Rückenlehne des Stuhls mit seinen Armen fest umschlang, als wollte er ihn herzlich umarmen.
»Na, so etwas, so was! Was bist du für ein Mensch!« rief Gruschenka vorwurfsvoll. »Genauso ist er einmal zu mir gekommen. Er fing an zu reden, und ich verstand kein Wort davon. Und einmal hat er genauso losgeweint, jetzt ist es das zweitemal. Schämen solltest du dich! Warum weinst du denn? Und wenn es noch einen Grund dafür gäbe!« fügte sie plötzlich rätselhaft hinzu und legte in diese Worte einen besonderen, gereizten Nachdruck.
»Ich ... Ich will nicht weinen ... Na, laßt es euch wohl ergehen!« Bei diesen Worten drehte er sich jäh auf dem Stuhl herum und lachte plötzlich los, aber nicht wie sonst hölzern und abgehackt, es war ein unhörbares, langes, nervöses Lachen, das seinen ganzen Körper erschütterte.
»Jetzt wieder das! So sei doch vergnügt, sei doch vergnügt!« redete Gruschenka ihm zu. »Ich freue mich sehr, daß du gekommen bist, sehr freue ich mich, Mitja, hörst du das? Ich will, daß er bei uns sitzt«, wandte sie sich gebieterisch an alle, obgleich ihre Worte offenbar nur dem Mann auf dem Sofa galten. »Ich will es, ich will es! Und wenn er weggeht, gehe ich auch weg! So steht die Sache!« fügte sie hinzu, und ihre Augen funkelten.
»Was meine Königin befiehlt, ist Gesetz!« sagte der Pan und küßte ihr galant die Hand. »Ich bitte den Herrn, sich unserer Gesellschaft anzuschließen!« wandte er sich liebenswürdig an Mitja.
Mitja sprang wieder auf, und es hatte durchaus den Anschein, als wollte er noch eine exaltierte Rede halten; doch es kam anders.
»Trinken wir, Panie!« rief er kurz statt einer Rede. Alle lachten.
»O Gott, und ich dachte, er will wieder reden!« rief Gruschenka nervös. »Hörst du, Mitja«, fügte sie nachdrücklich hinzu, »spring nicht mehr hoch! Aber daß du Champagner mitgebracht hast, ist prächtig. Ich selbst will welchen trinken! Likör kann ich nicht leiden. Das Allerbeste aber ist, daß du selber gekommen bist, sonst ist es hier zu langweilig ... Du bist wohl gekommen, um wieder flott zu leben? Aber steck doch das Geld in die Tasche! Wo hast du denn so viel
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