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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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ist?«
    »Weil es meine Überzeugung ist. Weil mir das mein Gefühl sagt. Weil Smerdjakow ein Mensch von niedrigster Gesinnung und ein Feigling ist. Er ist nicht einfach ein Feigling, sondern der auf zwei Beinen gehende Inbegriff aller Feigheit, die es auf der Welt gibt. Ihn muß ein Huhn geboren haben. Wenn er mit mir sprach, zitterte er jedesmal, ich könnte ihn totschlagen, obwohl ich nie die Hand gegen ihn erhoben habe. Er fiel mir zu Füßen und weinte, er hat mir diese Stiefel geküßt, buchstäblich, und mich flehentlich gebeten, ich möchte ihn ›nicht ängstigen‹. Hören Sie das: ›Nicht ängstigen!‹ – was ist das für ein sonderbarer Ausdruck? Aber ich habe ihn sogar beschenkt. Er ist ein krankes Huhn, epileptisch, mit schwachem Verstand, ein achtjähriger Knabe kann ihn verprügeln. Ist das überhaupt rin Charakter? Smerdjakow ist es nicht gewesen, meine Herren. Er liebt auch das Geld gar nicht; wenn ich ihm welches schenken wollte, nahm er es nicht an ... Und wofür hätte er auch den alten Mann totschlagen sollen? Er ist ja vielleicht sein Sohn, sein unehelicher Sohn, wissen Sie das?«
    »Wir haben dieses Gerücht gehört. Aber Sie sind ja auch der Sohn Ihres Vaters, und trotzdem haben Sie selbst zu allen Leuten gesagt, Sie wollten ihn töten.«
    »Da haben Sie einen Stein in meinen Garten geworfen! Und so einen unwürdigen, gemeinen Stein! O meine Herren, es ist vielleicht zu gemein von Ihnen, gerade mir das ins Gesicht zu sagen! Gemein deswegen, weil ich Ihnen das selbst gesagt habe. Ich wollte ihn nicht bloß töten – ich konnte es auch, und ich habe noch freiwillig gegen mich ausgesagt, daß ich ihn beinahe getötet hättet Aber ich habe ihn ja nicht getötet, mein Schutzengel hat mich davor bewahrt! Sehen Sie, das haben Sie dabei nicht beachtet ... Und deshalb ist es gemein von Ihnen! Weil ich ihn nicht getötet habe! Hören Sie, Herr Staatsanwalt, ich habe ihn nicht getötet!« Er konnte kaum noch atmen. Während des ganzen Verhörs war er nie so erregt gewesen. »Was hat er Ihnen denn gesagt, meine Herren, dieser Smerdjakow?«, schloß er plötzlich, nachdem er eine kleine Weile geschwiegen hatte. »Darf ich Sie danach fragen?«
    »Sie dürfen uns nach allem fragen«, erwiderte der Staatsanwalt mit kalter, strenger Miene. »Nach allem, was tatsächlich zur Sache gehört ... Und wir sind, ich wiederhole, sogar verpflichtet, Ihnen auf jede Frage zu antworten. Wir haben den Diener Smerdjakow, nach dem Sie fragen, besinnungslos in seinem Bett gefunden; er hatte einen außerordentlich starken, sich vielleicht zum zehntenmal wiederholenden epileptischen Anfall. Der Arzt, der mit uns war, hat den Kranken untersucht und meinte sogar, er würde den Morgen nicht überleben.«
    »Nun, dann muß der Teufel den Vater totgeschlagen haben!« entfuhr es Mitja plötzlich, als hätte er sich bis zu diesem Augenblick noch immer gefragt: ›Ist es Smerdjakow gewesen oder nicht?‹
    »Wir werden auf diesen Punkt noch zurückkommen«, entschied Nikolai Parfjonowitsch. »Möchten Sie jetzt vielleicht in Ihren Aussagen fortfahren?«
    Mitja bat um die Erlaubnis, sich einen Augenblick erholen zu dürfen; diese wurde ihm in höflicher Form erteilt. Nachdem er sich erholt hatte, fuhr er fort. Aber es fiel ihm augenscheinlich schwer. Er quälte sich, fühlte sich beleidigt und seelisch erschüttert. Außerdem begann ihn der Staatsanwalt jetzt wie absichtlich alle Augenblicke zu reizen, indem er bei »Kleinigkeiten« verweilte. Kaum hatte Mitja geschildert, wie er, auf dem Zaun sitzend, mit dem Stößel auf Grigoris Kopf geschlagen hatte und dann zu ihm hinabgesprungen war, unterbrach ihn der Staatsanwalt und bat ihn, eingehender zu beschreiben, wie er auf dem Zaun gesessen habe.
    Mitja war erstaunt. »Na, ich saß eben so, das eine Bein hier, das andere da ...«
    »Und der Stößel?«
    »Den hatte ich in der Hand.«
    »Nicht in der Tasche? Haben Sie das genau im Gedächtnis? Und dann haben Sie mit dem Arm weit ausgeholt?«
    »Ich werde wohl weit ausgeholt haben. Aber wozu wollen Sie das wissen?«
    »Wenn Sie sich einmal genauso auf den Stuhl setzen möchten, wie Sie damals auf dem Zaun gesessen haben, und uns anschaulich vormachen möchten, wie und wohin Sie ausgeholt haben, nach welcher Seite?«
    »Machen Sie sich etwa wieder über mich lustig?« fragte Mitja und sah den Frager hochmütig an.
    Da dieser jedoch mit keiner Wimper zuckte, drehte sich Mitja heftig um, setzte sich rittlings auf den Stuhl und holte mit

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