Die Brüder Karamasow
dem Arm aus.
»Sehen Sie, so habe ich zugeschlagen! So habe ich ihn getroffen! Was wollen Sie nun noch?«
»Ich danke Ihnen. Würden Sie jetzt die Freundlichkeit haben, Uns zu erklären, warum Sie eigentlich hinabgesprungen sind, mit welcher Absicht und was Sie dabei eigentlich im Sinne hatten?«
»Na, zum Teufel ... Ich bin zu dem hinuntergesprungen, den ich niedergeschlagen hatte ... Ich weiß nicht, warum!« »Obwohl Sie so erregt und auf der Flucht waren?«
»Ja, obwohl ich so erregt und auf der Flucht war.«
»Wollten Sie ihm helfen?«
»Was war da zu helfen? Ja, vielleicht wollte ich ihm auch helfen. Ich erinnere mich nicht.«
»Das heißt, Sie befanden sich in einer Art Bewußtlosigkeit?«
»O nein, durchaus nicht, ich erinnere mich an alles. An die geringste Kleinigkeit. Ich bin hinuntergesprungen, um ihn mir anzusehen, und habe ihm mit dem Taschentuch das Blut abgewischt.«
»Wir haben Ihr Taschentuch gesehen. Hofften Sie, den zu Boden Geschlagenen wieder ins Leben zurückzurufen?«
»Ich weiß nicht, ob ich das hoffte. Ich wollte mich einfach davon überzeugen, ob er lebte oder nicht.«
»Ah, also davon wollten Sie sich überzeugen? Nun, und?«
»Ich bin kein Arzt, ich konnte mir nicht klarwerden. Ich lief davon und glaubte, ich hätte ihn totgeschlagen – dabei ist er ja wieder zu sich gekommen.«
»Sehr schön«, schloß der Staatsanwalt. »Ich danke Ihnen. Weiter wollte ich nichts wissen. Haben Sie nun die Güte fortzufahren!«
Leider hatte Mitja, obgleich er sich auch daran erinnerte, keine Lust zu erzählen, daß er aus Mitleid hinuntergesprungen war. Der Staatsanwalt jedoch zog aus der Darstellung nur den Schluß, daß dieser Mensch »in so einem Augenblick und in solcher Erregung« nur hinabgesprungen sei, um sich davon zu überzeugen, ob der einzige Zeuge seines Verbrechens noch am Leben war oder nicht. Wie groß mußte also die geistige Kraft, die Entschlossenheit, die Kaltblütigkeit und Kombinationsfähigkeit dieses Menschen sogar in einem solchen Augenblick gewesen sein ... und so weiter und so fort.
Der Staatsanwalt war sehr zufrieden; er sagte sich: Ich habe einen nervösen Menschen durch Fragen nach Kleinigkeiten gereizt, und er hat sich verplappert.
Mitja fuhr unter Qualen fort zu erzählen. Doch er wurde gleich wieder unterbrochen, und zwar jetzt von Nikolai Parfjonowitsch:
»Wie konnten Sie zu dem Dienstmädchen Fedossja Markowna laufen, wo Sie doch blutige Hände und, wie sich später herausstellte, auch ein blutiges Gesicht hatten?«
»Ich hatte damals überhaupt nicht bemerkt, daß ich blutig war«, antwortete Mitja.
»Das hat etwas für sich, dergleichen kommt oft vor«, bemerkte der Staatsanwalt, wobei er mit Nikolai Parfjonowitsch einen Blick wechselte.
»Ich hatte es nicht bemerkt, das war eine sehr richtige Äußerung von Ihnen, Herr Staatsanwalt«, stimmte ihm plötzlich Mitja zu. Und dann folgte die Geschichte von Mitjas plötzlichem Entschluß, »beiseite zu treten« und »die Glücklichen vorbeizulassen«. Allerdings konnte er sich jetzt nicht mehr überwinden, sein Herz wieder aufzudecken und von der »Königin seiner Seele« zu erzählen, wie er es doch vor kurzem getan hatte. Ihn ekelten diese kalten Menschen an, die sich »wie Wanzen an ihm festsogen«. Daher antwortete er auf wiederholte Fragen kurz und in scharfem Ton: »Nun, ich faßte den Entschluß, mich zu töten. Wozu sollte ich leben bleiben? Diese Frage trat mir ganz von selbst entgegen. Ihr Früherer war erschienen; er hatte sie einst verführt, war aber nun voller Liebe zurückgekommen, um nach fünf Jahren durch eine gesetzliche Ehe wiedergutzumachen, was er ihr angetan hatte. Ich sah ein, daß für mich alles verloren war ... Hinter mir lag eine schmähliche Tat, dieses Blut, das Blut Grigoris ... Wozu sollte ich da noch leben bleiben? Also ging ich und löste meine versetzten Pistolen ein, um mir bei Tagesanbruch eine Kugel in den Kopf zu jagen ...«
»In der Nacht aber wollten Sie noch ein üppiges Gelage veranstalten?«
»In der Nacht noch ein üppiges Gelage. Ach, zum Teufel, meine Herren, bringen Sie die Sache doch schneller zum Ende! Erschießen wollte ich mich bestimmt, nicht weit von hier, hinter einer Hecke, gegen fünf Uhr morgens, und in meiner Tasche hatte ich vorsorglich einen Zettel, den ich bei Perchotin geschrieben hatte, als ich die Pistolen lud ... Da ist der Zettel, lesen Sie ihn! Für Sie erzählen möchte ich es nicht!« fügte er auf einmal geringschätzig hinzu. Er
Weitere Kostenlose Bücher