Die Brüder Karamasow
zog den Zettel aus der Westentasche und warf ihn auf den Tisch; der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter lasen ihn mit Interesse durch und nahmen ihn, wie es sich gehört, zu den Akten.
»Aber sich die Hände zu waschen, daran dachten Sie immer noch nicht, nicht einmal, als Sie bei Herrn Perchotin eintraten? Sie fürchteten also nicht, Verdacht zu erregen?«
»Was kümmerte mich der Verdacht? Mochte man mich in Verdacht haben oder nicht, ganz egal! Ich wäre doch hierhergefahren und hätte mich um fünf Uhr erschossen, und Sie hätten es nicht verhindern können. Wäre nicht der Fall mit dem Vater hinzugekommen, hätten Sie ja nichts erfahren und wären nicht hierhergekommen. Oh, das war der Teufel, der Teufel hat den Vater ermordet, durch den Teufel haben Sie es so schnell erfahren! Wie geht es nur zu, daß Sie so schnell hierhergekommen sind? Seltsam, unbegreiflich!«
»Herr Perchotin teilte uns mit, Sie hätten, als Sie zu ihm kamen, Ihr Geld in den Händen, in den blutigen Händen gehalten ... Eine Menge Geld ... Ein ganzes Päckchen Hundertrubelscheine ... Und das habe auch sein Bursche gesehen.«
»Das ist richtig, meine Herren. Ich erinnere mich, daß das richtig ist.«
»Jetzt tritt uns eine kleine Frage entgegen. Könnten Sie uns mitteilen«, begann Nikolai Parfjonowitsch außerordentlich sanft, »woher Sie auf einmal so viel Geld hatten, während doch aus den Tatsachen und aus dem zeitlichen Ablauf hervorgeht, daß Sie nicht in Ihrer Wohnung vorbeigegangen sind?«
Der Staatsanwalt runzelte über diese allzu direkt gestellte Frage ein wenig die Stirn, unterbrach aber Nikolai Parfjonowitsch nicht.
»Nein, in meiner Wohnung bin ich nicht vorbeigegangen«, antwortete Mitja äußerlich sehr ruhig, aber er blickte dabei zur Erde.
»Gestatten Sie mir dann, die Frage zu wiederholen«, fuhr Nikolai Parfjonowitsch, sich gewissermaßen anschleichend, fort. »Woher konnten Sie auf einmal diese Summe erhalten, während Sie nach Ihrem eigenen Geständnis noch um fünf Uhr dieses Tages ...«
»Während ich um fünf Uhr zehn Rubel brauchte und meine Pistolen bei Perchotin versetzte und dann zu Frau Chochlakowa ging und sie um dreitausend Rubel bat, die sie mir aber nicht gab, und so weiter der ganze Kram«, unterbrach ihn Mitja in scharfem Ton. »Ja, sehen Sie, meine Herren, eben war ich noch in Not, und auf einmal kamen bei mir Tausende zum Vorschein – wie ist das wohl zugegangen? Wissen Sie, meine Herren, Sie haben jetzt beide Angst: Wenn er uns nun nicht sagt, wo er das Geld herhatte, was dann? Und so ist es auch: Ich werde es Ihnen nicht sagen, meine Herren! Sie haben es erraten! Sie werden es nicht erfahren«, sagte Mitja klar und deutlich, und man hörte aus seinen Worten die feste Entschlossenheit heraus.
Der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter schwiegen eine Weile.
»Sehen Sie doch ein, Herr Karamasow, daß es für uns unbedingt notwendig ist, das zu wissen«, sagte Nikolai Parfjonowitsch ruhig und sanft.
»Das sehe ich ein, aber ich sage es nicht.«
Nun mischte sich auch der Staatsanwalt ein und erinnerte abermals daran, daß der Verhörte natürlich die Antwort auf die Fragen verweigern könne, wenn er meine, daß das für ihn vorteilhafter sei, und so weiter, doch in Anbetracht des Schadens, den der Verdächtigte sich selbst durch sein Schweigen zuziehen könne, und besonders bei Fragen von solcher Wichtigkeit, die ...
»Und so weiter, meine Herren, und so weiter. Genug! Ich habe diese erbauliche Predigt schon einmal gehört!« unterbrach ihn Mitja wieder. »Ich verstehe selbst, von welcher Wichtigkeit diese Sache ist, daß dies der Kardinalpunkt ist. Trotzdem sage ich es nicht.«
»Wir selbst haben ja nichts davon! Es ist schließlich nicht unsere Angelegenheit, sondern Ihre; Sie werden sich selber schaden«, bemerkte Nikolai Parfjonowitsch nervös.
»Sehen Sie, meine Herren, Scherz beiseite«, sagte Mitja, wobei er beide fest ansah. »Ich habe von Anfang an geahnt, daß wir an diesem Punkt mit den Stirnen zusammenstoßen werden. Aber am Anfang, als ich vorhin mit meinen Aussagen begann, lag das alles noch ganz verschwommen wie in einem fernen Nebel, und ich war sogar so naiv, Ihnen den Vorschlag gegenseitigen Vertrauens zu machen. Jetzt sehe ich selbst, daß dieses Vertrauen ein Ding der Unmöglichkeit war, da wir ja einmal an diesen verdammten Zaun kommen mußten! Es geht nicht, und damit basta! Übrigens mache ich Ihnen gar keinen Vorwurf; es ist auch Ihnen unmöglich, mir aufs
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