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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Aufrichtigkeit und starken, unbezwingbaren Verlangens, sich offen auszusprechen. »Niemals hat Katerina Iwanowna mich geliebt! Sie hat die ganze Zeit gewußt, daß ich sie liebe, obgleich ich ihr nie ein Wort von meiner Liebe gesagt habe. Sie hat es gewußt, aber sie liebt mich nicht. Auch ihr Freund bin ich nie gewesen, nicht einen Tag lang; die stolze Frau brauchte meine Freundschaft nicht. Sie hat mich bei sich gehalten, um sich unaufhörlich rächen zu können. Sie rächte sich an mir für alte Beleidigungen, die sie von Dmitri von ihrer ersten Begegnung an ständig und jeden Augenblick zu ertragen hatte. Denn auch die allererste Begegnung mit ihm empfindet sie noch immer als Beleidigung. Ich habe sie die ganze Zeit immer nur von ihrer Liebe zu ihm reden hören. Ich reise jetzt ab, Sie aber sollten wissen, Katerina Iwanowna, daß Sie wirklich nur ihn lieben. Und je ärger er Sie beleidigt, desto mehr lieben Sie ihn. Das ist eben Ihre Überspanntheit. Sie lieben ihn so, wie er ist, Sie lieben ihn sogar, weil er Sie kränkt. Würde er sich bessern, würden Sie sich sofort von ihm abwenden und ihn überhaupt nicht mehr lieben. Aber Sie brauchen ihn, um fortwährend Ihre Großtat, Ihre Treue vor Augen zu haben und ihm seine Treulosigkeit vorzuwerfen. Das rührt alles von Ihrem Stolz her. Gewiß, es ist auch viel Selbsterniedrigung und Selbstdemütigung dabei, aber die Wurzel von alledem ist Ihr Stolz ... Ich bin zu jung und habe Sie zu leidenschaftlich geliebt. Ich weiß, daß ich Ihnen das nicht sagen sollte, daß es sich von meiner Seite würdiger ausnehmen würde, wenn ich einfach von Ihnen fortginge, das wäre auch für Sie nicht so beleidigend. Aber ich fahre weit weg und komme nie wieder. Das ist eine Trennung fürs ganze Leben. Ich mag so eine Überspanntheit nicht aus der Nähe mit ansehen ... Übrigens verstehe ich nicht, die richtigen Ausdrücke zu wählen, aber alles Wesentliche habe ich gesagt ... Leben Sie wohl, Katerina Iwanowna! Zürnen können Sie mir nicht, denn ich bin hundertmal mehr bestraft als Sie, schon allein dadurch, daß ich Sie nie mehr wiedersehen werde. Leben Sie wohl! Geben Sie mir nicht die Hand! Sie haben mich zu sehr bewußt gequält, als daß ich Ihnen in diesem Augenblick verzeihen könnte. Später werde ich Ihnen verzeihen, doch jetzt möchte ich Ihnen nicht die Hand schütteln. ›Den Dank, Dame, begehr ich nicht 35 !‹« fügte er mit einem gezwungenen Lächeln hinzu, dadurch ganz unerwartet beweisend, daß auch er seinen Schiller gelesen hatte und aus dem Kopf zitieren konnte, was Aljoscha nicht geglaubt hätte. Er verließ das Zimmer, ohne sich auch nur bei Frau Chochlakowa, der Gastgeberin, zu verabschieden.
    Aljoscha rang die Hände. »Iwan!« rief er ihm fassungslos nach. »Komm zurück, Iwan! Nein, er wird um keinen Preis zurückkommen!« sagte er in trauriger Gewißheit. »Und ich, ich bin schuld daran, ich habe angefangen! Iwan hat im Zorn ungerecht gesprochen. Er muß wiederkommen, er muß, er muß!« Aljoscha schrie, als ob er nur halb bei Verstand wäre.
    Katerina Iwanowna ging plötzlich in ein anderes Zimmer.
    »Sie haben nichts Schlimmes angerichtet. Sie haben vorzüglich gehandelt, wie ein Engel«, flüsterte Frau Chochlakowa, die ganz begeistert war, rasch dem betrübten Aljoscha zu. »Ich werde alles unternehmen, damit Iwan Fjodorowitsch nicht wegfährt ...«
    Ihr Gesicht strahlte vor Freude, zum größten Kummer Aljoschas.
    Da kehrte Katerina Iwanowna zurück, in der Hand zwei Hundertrubelscheine.
    »Ich habe eine große Bitte an Sie, Alexej Fjodorowitsch«, begann sie, an Aljoscha gewandt, in ruhigem, gleichmäßigem Ton, als ob soeben wirklich nichts geschehen wäre. »Vor einer Woche, ja, ich glaube, es war vor einer Woche, hat Dmitri Fjodorowitsch eine unbeherrschte, ungerechte Tat begangen, eine sehr häßliche Tat. In einem unschönen Lokal, einer Kaschemme, hat er jenen verabschiedeten Offizier, einen Stabskapitän, getroffen, dessen Dienste Ihr Vater in seinen geschäftlichen, Angelegenheiten zu benutzen pflegte. Dmitri Fjodorowitsch, der irgendeinem Grund böse auf diesen Stabskapitän war, faßte ihn am Bart, zerrte ihn vor aller Augen in diesem unwürdigen Zustand auf die Straße und führte ihn auch noch längere Zeit so herum. Man erzählt, der Sohn dieses Stabskapitäns, ein Schüler der hiesigen Schule, ein Kind noch, sei nebenhergelaufen, habe laut geweint, für seinen Vater gebeten, sich an die Umstehenden gewandt und sie um Hilfe angefleht,

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