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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Dummheit ... Was wird nun werden?«
    »Mit wem denn, mit wem wird etwas werden?« rief Lisa. »Mama, Sie wollen mich wohl umbringen? Ich frage Sie immerzu, und Sie antworten mir nicht.«
    In diesem Augenblick kam das Stubenmädchen herein.
    »Katerina Iwanowna geht es nicht gut. Sie weint ... Sie hat einen hysterischen Anfall und schlägt um sich.«
    »Was soll denn das heißen?« rief Lisa mit erregter Stimme. »Mama, ich bin es, die einen hysterischen Anfall bekommen wird, nicht sie!«
    »Lise, um Gottes willen, schrei nicht so, töte mich nicht! Du bist noch in einem Alter, in dem du nicht alles wissen mußt, was die Erwachsenen wissen. Ich werde dir schon alles erzählen, was man dir mitteilen kann ... O mein Gott, ich laufe, ich laufe ja ... Ein hysterischer Anfall – das ist ein gutes Zeichen, Alexej Fjodorowitsch! Ausgezeichnet, daß sie einen hysterischen Anfall hat. Das ist genau das, was jetzt angebracht ist. Ich bin in solchem Fall immer gegen die Frauen, gegen alle diese hysterischen Anfälle und Weibertränen. Julija, lauf hin und sag ihr, daß ich fliege. Daß Iwan Fjodorowitsch so weggegangen ist, daran ist sie selbst schuld. Aber er wird nicht abreisen. Lise, um Gottes willen, schrei nicht so! Ach so, du schreist ja gar nicht, ich bin es, die schreit, verzeih deiner Mama! Ich bin hingerissen, ganz einfach hingerissen! Haben Sie bemerkt, Alexej Fjodorowitsch, wie jung Iwan Fjodorowitsch vorhin aussah, als er ging? Als er das alles gesagt hatte, und ging? Ich hatte immer gedacht, er wäre so ein Gelehrter, so ein Akademiker – und nun auf einmal dieses Feuer, diese offenherzige, diese unerfahrene Jugendlichkeit, wie schön das alles war, genau wie bei Ihnen! Und dieser deutsche Vers – als ob man Sie hörte! Aber ich laufe schon, ich laufe. Alexej Fjodorowitsch, beeilen Sie sich mit diesem Auftrag, und kommen Sie dann schnell wieder her! Lise, brauchst du etwas? Um Gottes willen, halte Alexej Fjodorowitsch nur keinen Augenblick länger auf, er wird gleich wiederkommen ...«
    Endlich eilte Frau Chochlakowa hinaus. Aljoscha wollte, bevor er ging, die Tür zu Lisa öffnen.
    »Auf keinen Fall!« rief Lisa. »Auf gar keinen Fall! Sprechen Sie so, durch die Tür hindurch! Wieso sind Sie bloß ein Engel geworden? Das möchte ich wissen.«
    »Wegen einer schrecklichen Dummheit, Lisa. Leben Sie wohl!«
    »Unterstehen Sie sich nicht, so zu gehen«, rief Lisa.
    »Lisa, ich bin sehr betrübt. Ich werde gleich wiederkommen, aber ich bin sehr, sehr betrübt!«
    Und er verließ das Zimmer.

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6.
Überspanntheit in der ärmlichen Wohnung
     
    Er empfand wirklich einen ernsten Kummer, wie er ihn bisher selten durchgemacht hatte. Er hatte vor Übereifer eine Dummheit gemacht, und auf welchem Gebiet? In Liebesdingen! ›Aber was verstehe ich denn davon? Kenne ich mich in solchen Sachen überhaupt aus?‹ fragte er sich zum hundertsten Male. ›Die Scham ist dabei das Wenigste, die Scham ist nur meine verdiente Strafe! Das Schlimme ist, daß ich jetzt unweigerlich die Ursache eines neuen Unglücks sein werde ... Der Starez hat mich ausgesandt, damit ich versöhne und vereine. Versöhnt man so?‹ Da fiel ihm plötzlich wieder ein, wie er die Hände der beiden hatte vereinigen wollen, und wieder schämte er sich furchtbar. ›Ich habe das alles zwar in bester Absicht getan, aber ich muß künftig klüger sein!‹ war seine Schlußfolgerung, und er lächelte nicht einmal über sie.
    Katerina Iwanownas Auftrag führte ihn in die Osjornajastraße. Sein Bruder Dmitri wohnte am Weg, nicht weit von dieser Straße in einer Seitengasse. Aljoscha beschloß, bei ihm vorbeizugehen, bevor er den Stabskapitän aufsuchte, obgleich er ahnte daß er den Bruder nicht antreffen würde. Er vermutete, daß sich dieser wohl absichtlich vor ihm verstecken würde, doch mußte er ihn um jeden Preis ausfindig machen. Die Zeit verstrich; der Gedanke an den sterbenden Starez hatte ihn seit dem Augenblick, da er aus dem Kloster gegangen war, nicht eine Sekunde verlassen.
    In dem Auftrag Katerina Iwanownas gab es ein Moment, das auch ihn außerordentlich interessierte. Als sie den Schulknaben erwähnte, den Sohn des Stabskapitäns, der laut weinend neben dem Vater hergelaufen sei, hatte er gleich denken müssen, dieser Schüler könnte derselbe sein, der ihn vorhin in den Finger gebissen hatte, als er, Aljoscha, ihn fragte, was er ihm denn getan habe. Jetzt war Aljoscha, ohne zu wissen warum, davon beinahe schon überzeugt. Diese nebensächlichen

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