Die Brueder Karamasow
sagte Iwan unlustig.
»Und du, wirst du wirklich bald abreisen, Bruder?«
»Ja.«
»Und was soll aus Dmitri und dem Vater werden? Wie soll die Spannung zwischen ihnen enden?« fragte Aljoscha stark beunruhigt.
»Du immer mit deiner alten Leier! Was geht das mich an? Bin ich etwa meines Bruders Hüter?« erwiderte Iwan schroff und gereizt, lächelte aber plötzlich bitter. »So antwortete Kain, als Gott ihn nach seinem erschlagenen Bruder fragte, nicht wahr? Vielleicht hast du in diesem Augenblick daran gedacht? Hol's der Teufel, ich kann wirklich nicht als Hüter bei ihnen bleiben! Ich habe meine Angelegenheiten zum Abschluß gebracht und reise ab. Du denkst doch wohl nicht, daß ich auf Dmitri eifersüchtig bin und daß ich ihm diese drei Monate seine schöne Katerina Iwanowna abspenstig machen wollte? Ich hatte meine eigenen Angelegenheiten, zum Teufel! Die habe ich jetzt zum Abschluß gebracht und reise ab. Heute habe ich sie zum Abschluß gebracht – du, warst Zeuge.«
»Du meinst, heute bei Katerina Iwanowna?«
»Ja, bei ihr. Und ich habe mich mit einem Schlag frei gemacht. Und was ist nun? Was geht mich Dmitri noch an? Dmitri
ist an allem ganz unbeteiligt! Ich hatte mit Katerina Iwanowna meine eigenen Angelegenheiten. Du weißt es ja selbst, Dmitri hat sich benommen, als hätte er sich mit mir abgesprochen. Ich habe ihn aber in keiner Weise gebeten, er hat mich von selbst feierlich in die Sache einbezogen und mir seinen Segen erteilt. Das alles klingt jetzt vielleicht lächerlich. Nein, Aljoscha, wenn du wüßtest, wie leicht mir jetzt ums Herz ist! Ich habe hier gesessen und mein Mittagessen verzehrt und wollte mir – wirst du es glauben? – schon eine Flasche Champagner bringen lassen, um die erste Stunde meiner Freiheit zu feiern. Pfui Teufel, beinah ein halbes Jahr – und nun auf einmal habe ich alle Fesseln zerrissen! Hatte ich gestern etwa auch nur eine Ahnung davon, daß es mich, wenn ich wollte, nichts kosten würde, diese Geschichte zu beenden?«
»Du sprichst von deiner Liebe, Iwan?«
»Ja, von meiner Liebe, wenn du es so nennen willst. Ja, ich hatte mich in ein gnädiges Fräulein, in ein Institutsfräulein, verliebt. Ich quälte mich um sie, und sie quälte mich. Ich umwarb sie ... Und plötzlich ist alles verflogen. Ich habe heute im Affekt gesprochen, doch als ich hinauskam, mußte ich lachen – kannst du es glauben? Es ist buchstäblich so, wie ich sage.«
»Du sprichst auch jetzt so vergnügt«, bemerkte Aljoscha und musterte Iwans Gesicht, das in der Tat auf einmal vergnügt aussah.
»Woher sollte ich denn wissen, daß ich sie überhaupt nicht liebe? Hehe! Nun hat es sich herausgestellt, daß das gar nicht der Fall war. Dabei hat sie mir doch so gefallen! Sogar heute noch, als ich meine Rede hielt! Und weißt du, auch jetzt gefällt sie mir schrecklich – und doch fällt es mir leicht, wegzufahren. Du glaubst, ich prahle nur?«
»Nein, aber das war vielleicht keine richtige Liebe.«
»Aljoschka«, erwiderte Iwan lachend, »laß dich nicht auf Reflexionen über die Liebe ein! Das paßt nicht zu dir. Aber heute, da hast du dich mal ins Zeug gelegt, o je! Ich habe ganz vergessen, dir dafür einen Kuß zu geben ... Und wie hat sie mich gequält! Wahrhaftig, sie leidet an Überspanntheit. Sie hat gewußt, daß ich sie liebte! Mich hat sie geliebt – und nicht Dmitri!« sagte Iwan bestimmt und heiter. »Daß sie Dmitri zu lieben glaubte, war nur Überspanntheit. Alles, was ich heute zu ihr gesagt habe, war die reine Wahrheit. Die Hauptsache ist jetzt aber, daß sie vielleicht fünfzehn oder zwanzig Jahre brauchen wird, um einzusehen, daß sie Dmitri überhaupt nicht liebt, sondern mich, den sie gequält hat. Möglicherweise wird sie nie zu dieser Einsicht gelangen, trotz der ernsten Lehre von heute. Na, das Beste war, daß ich aufstand und für immer wegging. Apropos, was macht sie jetzt? Was hat sich dort getan, nachdem ich weg war?«
Aljoscha erzählte von dem hysterischen Anfall und daß sie wohl auch jetzt noch bewußtlos sei und phantasiere.
»Lügt Frau Chochlakowa auch nicht?«
»Ich glaube nicht.«
»Wir müssen uns erkundigen. An einem hysterischen Anfall ist übrigens noch niemand gestorben. Und selbst wenn sie so einen Anfall gehabt hat – die Hysterie hat Gott dem Weib in seiner Liebe gegeben. Ich werde überhaupt nicht mehr zu ihr gehen. Wozu soll ich mich aufdrängen?«
»Du hast doch aber zu ihr gesagt, sie hätte dich nie geliebt?«
»Das habe ich
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