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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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die alte Kinderfrau in sein Zimmer. »Erlaube, Täubchen, ich möchte bei dir das Lämpchen vor dem Heiligenbild anzünden.« Früher hatte er das nicht zugelassen, sondern das Lämpchen sogar wieder ausgeblasen. Aber jetzt sagte er: »Zünde es an, meine Liebe, zünde es an. Ich war ein Unmensch, daß ich es euch früher verboten habe. Du betest zu Gott, indem du das Lämpchen anzündest, und ich bete zu ihm, indem ich mich über dich freue. Also beten wir zu ein und demselben Gott.« Diese Worte kamen uns seltsam vor. Die Mutter ging auf ihr Zimmer und weinte immerzu; nur wenn sie zu ihm hineinging, trocknete sie ihre Tränen und nahm eine heitere Miene an. »Weine nicht, liebe Mutter, mein Täubchen!« sagte er manchmal. »Ich kann noch lange mit euch leben und mich noch lange mit euch freuen, das Leben ist ja so heiter und fröhlich!« – »Mein lieber Sohn, was hast du denn für Freude am Leben, wenn du in der Nacht vor Fieber glühst und hustest, daß dir fast die Brust zerspringt?« – »Mama«, antwortete er ihr, »weine nicht. Das Leben ist ein Paradies; wir sind alle im Paradies und wollen es nur nicht wahrhaben. Wenn wir es wahrhaben wollten, würde gleich morgen auf der ganzen Welt das Paradies anheben.« Alle staunten über seine Worte, alle waren gerührt und weinten, so seltsam und so nachdrücklich hatte er gesprochen. Es kamen Bekannte zu uns. »Liebe teure Menschen«, sagte er zu ihnen, »wodurch habe ich es verdient, daß Sie mich, einen solchen Menschen, lieben? Und wie ist es nur möglich, daß ich das früher nicht erkannt und nicht zu schätzen gewußt habe?« Zu den Dienstboten sagte er häufig: »Meine Lieben, Teuren, weswegen dient ihr mir? Bin ich das denn wert, daß ihr mir dient? Wenn Gott sich meiner erbarmen und mich leben lassen würde, dann möchte ich euch dienen, denn wir müssen alle einander dienen.« Als die Mutter das hörte, schüttelte sie den Kopf. »Du mein teurer Sohn, du redest so, weil du krank bist!« – »Mama, du meine Freude«, sagte er, »es muß ja wohl Herren und Diener geben. Aber auch ich will der Diener meiner Diener sein, so wie sie die meinigen sind. Und noch eins will ich dir sagen, liebe Mutter. Jeder von uns trägt allen gegenüber an allem Schuld, und ich mehr als alle.« Die Mutter lächelte darüber sogar, sie weinte und lächelte zugleich. »Nun«, sagte sie, »inwiefern trägst du denn allen gegenüber mehr Schuld als alle? Es gibt Mörder und Räuber, was hast du schon gesündigt, daß du dir mehr Schuld beimißt als allen anderen?« – »Liebe Mutter, du mein Blutströpfchen«, sagte er; solche Kosenamen begann er damals zu unserer Überraschung zu gebrauchen. »Du sollst wissen, mein liebes, fröhliches Blutströpfchen, daß in Wahrheit ein jeder allen gegenüber an allem Schuld trägt. Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll, doch ich fühle, fühle es qualvoll und schmerzhaft, daß es so ist. Wie haben wir früher nur so leben können – im Zorn und ohne Wissen!« So waren denn jeden Tag beim Aufstehen seine Rührung und seine Freude größer und größer; er zitterte geradezu vor Liebe. Manchmal, wenn der Arzt kam, ein alter Deutscher namens Eisenschmidt, sagte der Kranke scherzend zu ihm: »Nun, wie steht's, Doktor? Werde ich noch einen Tag auf dieser Weit leben?« – »Sie werden nicht nur einen Tag sondern noch viele Tage auf dieser Welt leben«, antwortete der Arzt. Monate und Jahre werden Sie noch leben!« – »Wozu noch Jahre und Monate!« rief er dann manchmal. »Wozu die Tage zählen, wo doch ein einziger Tag für den Menschen ausreicht, um das volle Glück kennenzulernen? Meine Lieben, warum streiten wir, warum prahlen wir, warum tragen wir einander Kränkungen nach? Laßt uns einfach in den Garten gehen und spazieren und umhertollen und einander lieben und loben und küssen und unser Leben glücklich preisen!« – »Ihr Sohn wird nicht mehr lange leben«, sagte der Arzt zur Mutter, als sie ihn zur Haustür begleitete. »Infolge der Krankheit ist eine geistige Störung eingetreten.« Die Fenster seines Zimmers gingen auf den Garten hinaus. Unser Garten war schattig, von alten Bäumen bestanden; an den Bäumen kamen die Frühlingsknospen hervor, und am Morgen kamen die Vögel geflogen, zwitscherten und sangen ihm in die Fenster. Und wie er sie so ansah und sich über sie freute, begann er auf einmal auch sie um Verzeihung zu bitten: »Ihr Vöglein Gottes, ihr fröhlichen Vöglein, verzeiht auch ihr mir, denn auch vor euch

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