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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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war allein – wo mein Bruder damals war, daran kann ich mich nicht erinnern. Es war ein heller Tag, und wenn ich jetzt zurückdenke, so sehe ich abermals ganz deutlich, wie der Weihrauch aus dem Räucherfaß quoll und sacht nach oben stieg; und oben, in der Kuppel, strömten durch ein schmales Fensterchen die Strahlen der Gottessonne nur so in die Kirche und auf uns hernieder und sogen den aufsteigenden Weihrauch gleichsam in sich auf. Ich sah das und war ergriffen, und zum erstenmal seit meiner Geburt nahm ich damals das Samenkorn des Wortes Gottes mit Bewußtsein in meine Seele auf. Ein junger Ministrant mit einem großen Buch schritt bis in die Mitte der Kirche; das Buch war so groß, daß er es, wie mir damals schien, nur mit Mühe tragen konnte. Er legte es auf ein Lesepult, schlug es auf und begann zu lesen, und auf einmal, zum erstenmal in meinem Leben, verstand ich damals, was im Gotteshaus gelesen wird. Es war ein Mann im Lande Uz, der war gerecht und gottesfürchtig und besaß so und so großen Reichtum, so und so viele Kamele, so und so viele Schafe und Esel, und seine Kinder lebten in Freuden, und er liebte sie sehr und betete für sie, denn er dachte: Vielleicht haben sie gesündigt, während sie sich vergnügten. Und da kam zu Gott der Teufel, zusammen mit den Söhnen Gottes, und sagte zum Herrn, er habe die ganze Erde durchzogen. »Hast du meinen Knecht Hiob gesehen?« fragte ihn Gott. Und Gott rühmte sich dem Teufel gegenüber, indem er auf diesen seinen großen frommen Knecht hinwies. Der Teufel aber lächelte zu diesen Worten Gottes und sagte: »Überlaß ihn mir, und du wirst sehen, daß dein Knecht gegen dich murren und deinen Namen verfluchen wird.« Und Gott überließ seinen Gerechten, den Er so sehr liebte, dem Teufel, und der Teufel erschlug seine Kinder und sein Vieh und vernichtete seinen Reichtum, alles mit einemmal, wie durch Gottes Donner. Und Hiob zerriß seine Kleider und warf sich auf die Erde und rief: »Nackt bin ich aus dem Leib meiner Mutter gekommen, nackt werde ich in die Erde zurückkehren. Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobt von nun an bis in Ewigkeit!« Ihr meine Väter und Lehrer, verzeiht mir die Tränen, die ich jetzt weine! Meine ganze Kindheit ersteht gleichsam neu vor meinem geistigen Auge, und ich atme jetzt so, wie ich damals als Achtjähriger mit meiner Kinderbrust atmete, und fühle wie damals Staunen und Verwirrung und Freude. Die Kamele beschäftigten damals meine Einbildungskraft, und der Satan, der so mit Gott spricht, und Gott, der seinen Knecht dem Verderben preisgibt, und auch sein Knecht, der ausruft: »Gelobt sei dein Name, obwohl du mich züchtigst!« Und dann ertönte im Gotteshaus der leise, süße Gesang: »Möge mein Gebet Erhörung finden!« Und von neuem quoll der Weihrauch aus dem Gefäß des Geistlichen, und alles beugte die Knie und betete! Seitdem kann ich diese hochheilige Erzählung nicht ohne Tränen lesen, gestern erst habe ich sie zur Hand genommen. Wieviel Hohes, Geheimnisvolles, Unfaßbares enthält sie aber auch! Ich habe später Schmäher und Spötter stolze Worte sagen hören: »Wie konnte Gott seinen Liebling unter den Frommen dem Teufel zur Kurzweil ausliefern, ihm seine Kinder nehmen und ihn selbst so mit Krankheit und Geschwüren schlagen, daß er sich mit einer Scherbe den Eiter von den Wunden abkratzen mußte! Und wozu? Nur um sich vor dem Satan rühmen zu können! ›Da siehst du, was mein frommer Knecht um meinetwillen ertragen kann!‹« Aber darin besteht ja gerade die Größe, daß hier ein Geheimnis vorliegt: daß sich vergängliche irdische Erscheinung und ewige Wahrheit hier berühren. Vorrang vor der irdischen Gerechtigkeit hat die ewige Gerechtigkeit. Wie der Schöpfer jeden der ersten Schöpfungstage mit dem Lob beschloß: »Was ich geschaffen habe, ist gut«, so blickt Er hier auf Hiob und rühmt sich von neuem seines Geschöpfes. Hiob aber dient, indem er Gott lobt, nicht nur Ihm, sondern seiner ganzen Schöpfung, von Geschlecht zu Geschlecht und in alle Ewigkeit, denn eben dazu war er von jeher bestimmt. O Gott, was ist das für ein Buch, und was für Lehren enthält es! Was für ein Buch ist die Heilige Schrift, welche wunderbaren Kräfte werden dem Menschen durch sie verliehen! Sie ist gewissermaßen ein Bild der Welt und des Menschen und der menschlichen Charaktere, und alles ist darin benannt und ausgewiesen für alle Ewigkeit. Und wie viele Geheimnisse sind darin

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