Die Brueder Karamasow
mich«, sagte ich lachend zu ihm. »Später werden Sie mich selbst verstehen.« – »Ich bin bereit, Sie auch jetzt schon zu verstehen«, sagte er. »Erlauben Sie, daß ich Ihnen die Hand reiche. Denn Sie scheinen tatsächlich ein aufrichtiger Mensch zu sein.« – »Nein«, versetzte ich, Jetzt ist dafür nicht die Zeit. Später, wenn ich ein besserer Mensch geworden bin und Ihre Achtung verdiene, dann reichen Sie mir bitte die Hand, dann werden Sie damit etwas Gutes tun.« Wir kehrten nach Hause zurück. Mein Sekundant schimpfte während der ganzen Fahrt, ich aber umarmte ihn. Von dem Vorgang erfuhren alle Kameraden sofort, und sie versammelten sich noch an demselben Tag, um über mich Gericht zu halten. »Er hat die Uniform beschmutzt!« hieß es. »Er soll seinen Abschied einreichen!« Es fehlte allerdings auch nicht an Verteidigern. »Er hat aber doch dem Schuß standgehalten«, sagten sie. Ja«, wurde entgegnet, »aber er hat vor weiteren Schüssen Angst gehabt und an der Barriere um Verzeihung gebeten.« – »Hätte er vor den Schüssen Angst gehabt«, entgegneten meine Verteidiger, »hätte er erst seine eigene Pistole abgefeuert, bevor er um Verzeihung bat! Er hat sie aber, noch geladen, in den Wald geworfen! Nein, hier liegt etwas anderes vor, etwas Originelles.« Ich hörte zu, und mir war vergnüglich zumute, während ich sie so ansah. »Meine lieben Freunde und Kameraden«, sagte ich, »beunruhigt euch nicht darüber, daß ich meinen Abschied einreichen soll, das habe ich bereits getan. Ich habe ihn schon heute vormittag auf dem Regimentsbüro eingereicht. Und sobald ich meinen Abschied erhalte, werde ich in ein Kloster geben. Zu diesem Zweck und keinem anderen reiche ich ihn ein.« Sowie ich das gesagt hatte, brachen sie allesamt in ein lautes Gelächter aus. »Das hättest du uns gleich sagen sollen! Na, jetzt ist ja alles klar, über einen Mönch können wir nicht zu Gericht sitzen!« So sprachen sie lachend und konnten sich gar nicht beruhigen. Sie lachten aber nicht spöttisch, sondern freundlich und heiter; alle hatten mich auf einmal liebgewonnen, sogar meine heftigsten Ankläger, und danach trugen sie mich den Monat bis zu meinem Abschied geradezu auf Händen. »Ach du Mönch!« sagten sie. Und jeder hatte für mich ein freundliches Wort. Sie versuchten auch, mir meinen Plan auszureden, bedauerten mich sogar. »Was tust du dir bloß an?« – »Nein«, sagten andere, »er ist ein tapferer Kerl. Er hat dem Schuß standgehalten und hätte aus seiner Pistole schießen können. Er hat aber in der vorhergehenden Nacht geträumt, er soll Mönch werden, daher hat er so gehandelt.« Fast ebenso stellte sich die Gesellschaft in der Stadt zu der Angelegenheit. Früher hatte man mich nicht sonderlich beachtet, sondern mich nur gern aufgenommen. Doch jetzt wetteiferten auf einmal alle, mich kennenzulernen und zu sich einzuladen; sie lachten zwar über mich, mochten mich aber. Es sei hier vermerkt, daß die Vorgesetzten die Sache ignorierten, obgleich von unserem Duell damals alle ungeniert sprachen. Mein Gegner war mit unserem General verwandt, und da die Sache wie ein Scherz ohne, Blutvergießen abgelaufen war und ich außerdem ein Abschiedsgesuch eingereicht hatte, taten sie, als sähen sie die Sache wirklich als einen Scherz an. Ich gewöhnte mir damals an, laut und furchtlos zu reden, trotz des Lachens der Leute; dieses Lachen war nämlich nie boshaft, sondern gutmütig. Die Gespräche fanden größtenteils abends in Damengesellschaft statt. Die Frauen hörten mich besonders gern reden und brachten dann auch die Männer dahin. »Wie ist das möglich, daß ich an den Sünden aller schuld sein soll?« sagten sie und lachten mir ins Gesicht. »Kann ich denn zum Beispiel auch an Ihren Sünden schuld sein?« – »Wie sollten Sie das verstehen«, antwortete ich, »wo doch die ganze Welt längst auf eine falsche Bahn geraten ist und wir eine eindeutige Lüge für die Wahrheit halten und auch von anderen ebensolche Unwahrheit verlangen? Da habe ich es nun ein einziges Mal im Leben unternommen, aufrichtig vorzugehen – und was ist die Folge? Sie betrachten mich alle als einen religiösen Irren. Sie haben mich zwar gern, machen sich aber über mich lustig.« – »Wie sollte man auch einen Menschen wie Sie nicht gern haben?« sagte die Gastgeberin laut und lachte dabei. Auf einmal sah ich, wie sich aus dem großen Kreis der Damen eben jene junge Frau erhob, die ich noch vor kurzem zur Braut erkoren und um
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