Die Brueder Karamasow
unwiderlegliche Wahrheit ohne Widerspruch erkannten und anerkannten – es gibt schreckliche Menschen, die sich dem Satan und dem stolzen Geist völlig ausgeliefert haben. Für sie ist die Hölle ein selbstgewählter Aufenthalt, wo sie in ihrer Halsstarrigkeit für immer bleiben: Sie sind Märtyrer nach ihrem eigenen Willen. Denn sie haben sich selbst verflucht, indem sie Gott und das Leben verfluchten. Sie nähren sich von ihrem bösen Stolz, so wie ein Hungernder in der Wüste sein eigenes Blut aus seinem eigenen Leib saugt. Aber sie sind halsstarrig in alle Ewigkeit und weisen die Verzeihung zurück und verfluchen Gott, der sie ruft. Einen lebendigen Gott können sie sich nicht vorstellen, ohne ihn zu hassen; daher fordern sie, Gott soll kein Leben haben, sondern sich und seine ganze Schöpfung vernichten. Und sie werden bis in alle Ewigkeit im Feuer ihres Zornes brennen und nach Tod und Nichtsein dürsten. Aber sie werden den Tod nicht erlangen.
Hier endet das Manuskript Alexej Fjodorowitsch Karamasows. Ich wiederhole, es ist nicht vollständig, sondern enthält nur Bruchstücke. Die biographischen Berichte zum Beispiel umfassen nur die früheste Jugendzeit des Starez. Aus seinen Belehrungen ist vieles, was augenscheinlich zu verschiedenen Zeiten und bei unterschiedlichen Anlässen ausgesprochen worden war, zu einem einheitlich scheinenden Ganzen zusammengestellt worden. Was der Starez gerade in den letzten Stunden seines Lebens gesagt hat, ist mit voller Genauigkeit nicht wiederzugeben. Man erhält hier, nimmt man hinzu, was in Alexej Fjodorowitschs Manuskript aus den früheren Belehrungen angeführt ist, nur einen Begriff von Geist und Charakter auch dieses Gesprächs.
Das Ende des Starez trat dann ganz unerwartet ein. Zwar wußten alle, die sich an diesem letzten Abend bei ihm versammelt hatten, daß sein Tod nahe war, doch konnten sie sich nicht vorstellen, daß er so plötzlich eintreten würde, im Gegenteil. Da ihn seine Freunde in dieser Nacht anscheinend so frisch und zum Sprechen aufgelegt sahen, waren sie sogar davon überzeugt, in seinem Befinden sei eine merkliche Besserung zu verzeichnen, wenn auch nur für kurze Zeit. Selbst noch fünf Minuten vor seinem Ende war nichts dergleichen zu befürchten, wie sie später erstaunt berichteten. Er schien auf einmal einen sehr starken Schmerz in der Brust zu fühlen, wurde blaß und drückte die Hände fest gegen das Herz. Alle erhoben sich und drängten sich um ihn, er aber blickte sie, wenn auch leidend, immer noch mit einem Lächeln an, ließ sich sacht vom Lehnstuhl auf den Fußboden gleiten und kniete nieder. Dann beugte er sich mit dem Gesicht zur Erde, breitete die Arme aus, küßte wie in freudiger Verzückung die Erde und betete, wie er es gelehrt hatte. So gab er still und froh seine Seele Gott zurück.
Die Nachricht von seinem Tod verbreitete sich unverzüglich in der Einsiedelei und auch im Kloster. Diejenigen, die dem Verstorbenen am nächsten gestanden hatten, und die, denen es nach ihrem Rang zukam, begannen nach altem Brauch, seinen Leichnam zurechtzumachen, während sich die gesamte Brüderschaft in der Klosterkirche versammelte. Und noch vor Tagesanbruch erreichte, wie man später hörte, die Kunde von dem Hinscheiden des Starez die Stadt. Am Morgen sprach fast die ganze Stadt von diesem Ereignis, und eine große Zahl von Einwohnern strömte zum Kloster. Doch davon soll im folgenden Buch die Rede sein; jetzt sei nur soviel gesagt: Der Tag war noch nicht vergangen, als etwas geschah, was für alle so unerwartet kam und innerhalb des Klosters und in der Stadt einen so seltsamen, beunruhigenden, verwirrenden Eindruck machte, daß sich eine lebendige Erinnerung an jenen aufregenden Tag über viele Jahre bis heute in der Stadt erhalten hat.
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Dritter Teil
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Siebentes Buch
Aljoscha
1.
Verwesungsgeruch
Die Leiche des entschlafenen Priestermönchs Vater Sossima wurde in der vorgeschriebenen Weise zur Beerdigung zurechtgemacht. Verstorbene Mönche werden bekanntlich nicht gewaschen, gleichgültig ob sie nach der allgemeinen oder der strengsten Regel gelebt haben. »So einer von den Mönchen zum Herrn geht«, heißt es im großen Trebnik 50 , »reibe der dazu bestimmte Mönch den Leichnam mit warmem Wasser ab, nachdem er zuvor mit dem Schwamm ein Kreuz auf der Stirn, der Brust, den Händen und den Füßen des Verstorbenen gemacht hat; damit soll es genug sein.« Alles dies verrichtete bei dem Entschlafenen Vater Paissi
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