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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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wie es Mitja vorkam. Er stürzte auf ihn los.
    »ErIauben Sie, sehen Sie ... ich ... Sie haben es sicher schon von dem Waldhüter gehört. Ich bin Leutnant Dmitri Karamasow, ein Sohn des alten Karamasow, mit dem Sie wegen des Waldes verhandeln.«
    »Du lügst!« erwiderte der Bauer mit ruhiger, fester Stimme.
    »Wieso lüge ich? Sie kennen doch Fjodor Pawlowitsch?«
    »Ich kenne deinen Fjodor Pawlowitsch nicht«, sagte der Bauer und bewegte schwerfällig die Zunge.
    »Sie stehen aber doch mit ihm in Verhandlung wegen des Waldes! Wachen Sie doch auf, sammeln Sie Ihre Gedanken! Der Pope Pawel aus Iljinskoje bat mich hierher begleitet ... Sie haben doch an Samsonow geschrieben, und er hat mich zu Ihnen geschickt ...«
    Mitja rang mühsam nach Luft.
    »Du lügst!« versetzte Ljagawy wieder.
    »Aber ich bitte Sie, die Sache ist kein Scherz! Sie sind vielleicht betrunken, aber Sie können doch reden und verstehen ... Sonst ... sonst verstehe ich gar nichts mehr!«
    »Du bist ein Färber!«
    »Aber ich bitte Sie, ich bin Karamasow, Dmitri Karamasow. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen ... einen vorteilhaften Vorschlag ... einen sehr vorteilhaften Vorschlag ... gerade wegen des Waldes.«
    Der Bauer strich sich bedächtig den Bart.
    »Nein, du hast eine Lieferung übernommen und dich dabei als Schuft erwiesen. Du bist ein Schuft!«
    »Ich versichere Ihnen, daß Sie sich irren!« rief Mitja und rang verzweifelt die Hände.
    Der Bauer strich sich immerzu den Bart und kniff plötzlich listig die Augen zusammen.
    »Nein, weißt du, was du mir zeigen kannst? Zeig mir doch mal ein Gesetz, nach dem es erlaubt ist, Gemeinheiten zu begehen hörst du? Du bist ein Schuft, verstehst du mich?«
    Mitja trat mit finsterer Miene von ihm weg, und auf einmal hatte er das Gefühl, als ob ihn »etwas vor die Stirn stieß«, wie er es selbst später ausdrückte. In einem einzigen Augenblick vollzog sich so etwas wie eine Erleuchtung in seinem Geist. »Es ging mir ein Licht auf, und ich verstand alles. »Er stand erstarrt da und konnte nicht begreifen, wie er, ein kluger Mensch, sich auf so eine Dummheit einlassen konnte: sich in eine derart abenteuerliche Unternehmung zu stürzen und sich nun schon fast einen Tag lang mit diesem Ljagawy abzuplagen und ihm den Kopf zu benetzen! Dieser Mensch ist betrunken, blödsinnig betrunken, der wird noch eine ganze Woche in einem fort trinken – worauf soll ich noch warten? Wie aber, wenn Samsonow mich absichtlich hierhergeschickt hat? Wie aber, wenn sie ... O Gott, was habe ich da angerichtet!‹
    Der Bauer saß da, beobachtete ihn und lächelte.
    Unter anderen Umständen hätte Mitja diesen dummen Menschen vielleicht vor Wut totgeschlagen, doch jetzt war er selbst so schwach geworden wie ein kleines Kind. Leise trat er zur Bank, nahm seinen Mantel, zog ihn schweigend an und ging hinaus.
    In der anderen Stube fand er den Waldhüter nicht, es war niemand da. Er zog fünfzig Kopeken kleines Geld aus der Tasche und legte sie auf den Tisch: für das Nachtquartier, für die Beleuchtung und für die Störung. Als er das Haus verließ, sah er ringsum nur Wald und nichts weiter. Er ging aufs Geratewohl los, ohne sich auch nur zu erinnern, nach welcher Seite er sich wenden mußte, nach rechts oder nach links: Als er am vorigen Tag mit dem Popen hergekommen war, hatte er nicht auf den Weg geachtet. In seiner Seele gab es keine Spur von Rachsucht gegen irgendwen, nicht einmal gegen Samsonow. Er lief einen schmalen Waldpfad entlang, gedankenlos und verstört, »mit wirrem Kopf«, und kümmerte sich gar nicht um die Richtung. Jedes Kind hätte ihn jetzt bezwingen können, so kraftlos an Seele und Leib war er auf einmal geworden. Er arbeitete sich aber doch irgendwie aus dem Wald heraus: Unvermittelt breiteten sich vor ihm unübersehbar weite kahle, abgeerntete Felder aus. »Welch eine Verzweiflung, welch ein Tod ringsum!« sagte er ein paarmal vor sich hin, während er weiter und weiter lief.
    Ein Wagen half ihm schließlich aus seiner Notlage: Ein Fuhrmann beförderte einen alten Kaufmann. Mitja fragte sie nach dem Weg, da stellte sich heraus, daß sie ebenfalls nach Wolowja fuhren. Sie verhandelten mit Mitja über den Preis und ließen ihn einsteigen. Nach drei Stunden waren sie am Ziel.
    Auf der Station Wolowja bestellte Mitja unverzüglich Postpferde in die Stadt, verspürte aber auf einmal einen unmenschlichen Hunger. Während die Pferde angespannt wurden, machte man ihm einen Eierkuchen. Er aß ihn sofort

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