Die Brueder Karamasow
habe.
»Ich habe Sie erwartet, ich habe Sie erwartet! Eigentlich konnte ich ja nicht annehmen, daß Sie zu mir kommen würden, aber trotzdem habe ich Sie erwartet, bewundern Sie meinen Instinkt, Dmitri Fjodorowitsch, ich war den ganzen Vormittag überzeugt, daß Sie heute kommen würden.«
»Das ist wirklich erstaunlich, gnädige Frau«, antwortete Mitja, während er sich schwerfällig setzte. »Aber ... ich bin in einer überaus wichtigen Angelegenheit gekommen ... Das heißt in der allerallerwichtigsten Angelegenheit für mich, gnädige Frau, für mich allein ... Und ich beeile mich ...«
»Ich weiß, daß Sie in einer sehr wichtigen Angelegenheit gekommen sind, Dmitri Fjodorowitsch. Dabei handelt es sich nicht um irgendwelche Ahnungen oder um veralteten Wunderglauben – haben Sie von dem Starez Sossima gehört? –, sondern um mathematische Notwendigkeit. Sie mußten kommen nach allem, was sich mit Katerina Iwanowna zugetragen hat. Sie mußten, mußten mit mathematischer Notwendigkeit ...«
»Das ist die Realität des wirklichen Lebens, gnädige Frau, das ist es! Erlauben Sie, mir nun, daß ich Ihnen auseinandersetze ...«
»Das ist es, Dmitri Fjodorowitsch, die Realität! Ich bin jetzt durchaus für die Realität. Was die Wunder anlangt, so habe ich eine recht schmerzliche Lektion bekommen. Sie haben gehört, daß der Starez Sossima gestorben ist?«
»Nein, gnädige Frau, ich höre es zum erstenmal«, antwortete Mitja ein wenig erstaunt. Er mußte unwillkürlich an Aljoscha denken.
»Heute nacht, und stellen Sie sich vor ...«
»Gnädige Frau«, unterbrach sie Mitja. »Ich stelle mir weiter nichts vor, als daß ich mich in der verzweifeltsten Lage befinde und daß alles kaputtgeht – und ich in erster Linie, wenn Sie mir nicht helfen. Verzeihen Sie die Trivialität meiner Ausdrücke, aber ich bin erregt, ich fiebere ...«
»Ich weiß, daß Sie fiebern. Ich weiß alles. Sie können sich auch in keinem anderen Seelenzustand befinden, und alles, was Sie sagen wollen, weiß ich im voraus. Ich habe mein Augenmerk schon längst auf Ihr Geschick gerichtet, Dmitri Fjodorowitsch! Ich beobachte es und studiere es ... Oh, glauben Sie mir, ich bin ein erfahrener Seelenarzt, Dmitri Fjodorowitsch!«
»Gnädige Frau, wenn Sie ein erfahrener Arzt sind, bin ich dafür ein erfahrener Kranker«, erwiderte Mitja, der sich krampfhaft Mühe gab, liebenswürdig zu reden. »Und ich fühle im voraus, daß Sie, wenn Sie schon mein Geschick so beobachten, mir auch in meinem Verderben beistehen werden. Doch gestatten Sie mir zu diesem Zweck endlich, Ihnen den Plan darzulegen, mit dem ich hier zu erscheinen gewagt habe. Und das, was ich von Ihnen erhoffe ... Ich bin gekommen, gnädige Frau ...«
»Legen Sie ihn mir nicht dar, das kommt erst in zweiter Linie. Was die Hilfe betrifft, so sind Sie nicht der erste, dem ich helfe, Dmitri Fjodorowitsch. Sie haben wahrscheinlich von meiner Cousine Frau Belmjossowa gehört, ihr Mann war ruiniert, ging kaputt, wie Sie sich so charakteristisch ausdrückten, Dmitri Fjodorowitsch, und was glauben Sie? Ich wies ihn auf die Pferdezucht hin, und jetzt geht es ihm glänzend. Haben Sie eine Ahnung von Pferdezucht, Dmitri Fjodorowitsch?«
»Nicht im geringsten, gnädige Frau, nein, gnädige Frau, nicht im geringsten!« rief Mitja in nervöser Ungeduld und tat sogar, als wollte er aufstehen. »Ich bitte Sie nur inständig, gnädige Frau, mich anzuhören! Lassen Sie mich zwei Minuten ungestört reden, damit ich Ihnen alles auseinandersetzen kann, das ganze Projekt, mit dem ich gekommen bin ... Meine Zeit ist knapp bemessen, ich habe es furchtbar eilig!« rief Mitja aufgeregt, da er merkte, daß sie wieder anfangen wollte zu reden; er hoffte, sie zu überschreien. »Ich bin in heller Verzweiflung gekommen, in höchstgradiger Verzweiflung, um Sie zu bitten, mir dreitausend Rubel zu leihen, gegen ein sicheres, ganz sicheres Pfand, gnädige Frau, gegen absolute Sicherheit! Gestatten Sie nur, daß ich Ihnen auseinandersetze ...«
»Das können Sie alles später tun, später!« entgegnete Frau Chochlakowa mit einer abwehrenden Handbewegung. »Alles, was Sie sagen können, weiß ich im voraus, wie ich Ihnen schon gesagt habe. Sie bitten um eine gewisse Summe, Sie brauchen dreitausend Rubel, ich aber werde Ihnen mehr geben, unermeßlich viel mehr, ich werde Sie retten, Dmitri Fjodorowitsch, doch dazu ist nötig, daß Sie mit gehorchen!«
Mitja sprang beglückt auf.
»Gnädige Frau, wollen Sie wirklich
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