Tiere
Kapitel 1
I ch hasse es, wenn Karen mit mir flirtet. Sie meint es auch gar nicht ernst. Ich habe extra früher Feierabend gemacht, um ihr aus dem Weg zu gehen, doch dann habe ich den Bus verpasst und stand noch an der Haltestelle, als sie mit Cheryl vorbeikam.
«Hey, Süßer», sagte Karen und zwinkerte mir zu. Cheryl lächelte nur und sagte: «Schönen Abend, Nigel.» Ich wollte sie zurückgrüßen, bekam die Worte aber nicht richtig raus. Ich fühle mich immer komisch, wenn Cheryl mit mir spricht.
Ich grübelte noch darüber nach, als der Bus kam. Ich stieg ein und ging nach oben. Wenn man unten sitzt und es voll wird, steht immer irgendeine fette alte Frau vor einem, und dann kriegt man ein schlechtes Gewissen, wenn man nicht aufsteht. Aber ich sitze sowieso lieber oben. Da hat man einen besseren Ausblick. Sobald man aus dem Stadtzentrum raus ist, kann man meilenweit gucken, jetzt, wo die meisten Fabriken und Geschäfte verschwunden sind. Obwohl nicht mehr viel übrig geblieben ist, was man angucken kann.
Ich muss an der zweiten Haltestelle hinter der Kanalbrücke aussteigen. Ich nehme mir immer vor, eines Tages im Bus zu bleiben, um zu sehen, wohin er fährt, aber ich machees nie. Wahrscheinlich würde es eh ein Vermögen kosten. Als wir an der Stelle vorbeikamen, wo mal das Schwimmbad gewesen ist, drückte ich auf den Halteknopf und stieg aus. Das Schwimmbad wurde vor ungefähr einem Jahr abgerissen, aber das war mir ziemlich egal. Es ist schon seit Ewigkeiten geschlossen, und ich kann sowieso nicht schwimmen. Und jetzt, wo es weg ist, kann man eine Abkürzung über das Gelände nehmen und muss nicht den ganzen Weg drum herumgehen.
Wenn es abends schon dunkel ist, gehe ich dort nicht mehr lang, denn die Straßenlaternen in der Nähe sind kaputt, und es wird ein bisschen unheimlich. Aber im Sommer, wenn das ganze Unkraut und so wächst, ist es schön. Fast so schön wie ein Park.
Da es warm und sonnig war, ging ich quer über das Gelände. Zum Pub sind es von dort nur zehn Minuten zu Fuß. Er liegt an einer Ecke, und jetzt, wo praktisch alle anderen Häuser abgerissen sind, kann man ihn nicht verfehlen. Schon aus einiger Entfernung konnte ich das Schild quietschen hören. Das macht es immer, sobald eine leichte Brise aufkommt. Irgendwann werde ich es mal ölen müssen.
Ich ging durch das Tor in den Biergarten, der hinter dem Pub liegt, und schloss die Tür zur Küche auf. Ich gehe immer hier rein und nicht durch die Vordertür, weil man dann eher das Gefühl hat, als würde man in ein normales Haus gehen. Und nicht in einen leeren Pub. Ich war kurz davor zu verhungern, ging aber erst mal nach oben, um mich umzuziehen. Ich erledige immer erst die nötigen Arbeiten, bevor ich mir was zu essen mache. Auf diese Weise kann ich danach alles in Ruhe angehen.
Nachdem ich mir ein T-Shirt und eine Jeans angezogenund mein Hemd und die gute Hose aufgehängt hatte, damit die Falten rausgehen, ging ich runter in die Schankstube und dann in den Keller. Man würde annehmen, dass ein Keller total dunkel und dreckig ist, aber das ist er nicht. Die Wände sind mit so einem Isolierzeug weiß getüncht, und es gibt eine richtig helle Glühbirne, damit man sehen kann, was man macht. Dort unten stehen noch immer ein paar Fässer rum, aus denen Schläuche kommen, die durch die Decke zur Theke führen, aber die sind alle leer. Wahrscheinlich ist das Bier mittlerweile verdunstet.
Ich ging zum Spülbecken an der hinteren Wand und nahm die Hundetröge, die darunter stehen. Ich benutze diese Doppelschüsseln, bei denen man auf der einen Seite Futter und auf der anderen Wasser reintun kann. Das ganze Hundefutter lagere ich auch dort. Früher habe ich Dosen gekauft, aber jetzt hole ich das Zeug in den großen Plastikwürsten. Die sind billiger und nehmen später im Mülleimer nicht so viel Platz weg. Ich quetschte ungefähr eine halbe Wurst in jede der vier Schüsseln und stellte sie dann auf das Tablett. Seit ich die Schüsseln mal fallen gelassen habe, nehme ich immer das Tablett. Das war nämlich eine echte Schweinerei.
Gleich neben der Spüle ist eine Tür. Ich schloss sie auf und ging mit dem Tablett in den Gang. Er wirkt ein bisschen schmuddeliger als der Pubkeller, weil die Wände nicht getüncht sind. Aber mein Papa hat eine Lampe angebracht, sodass es jetzt wenigstens hell genug ist. In der Mitte liegt das Ende eines Schlauches mit einer Spritzdüse. Er ist mit der Spüle verbunden, und ich habe ihn so weit wie möglich
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