Die Brueder Karamasow
er in diesem Augenblick gewesen ist! Ja noch mehr: Vielleicht wird ihn gerade diese eine Erinnerung von einer großen Übeltat zurückhalten, und er wird anderen Sinnes werden und sich sagen: ›Ich war doch damals gut und mutig und ehrenhaft!‹ Mag er auch vor sich hin lächeln, das schadet nichts. Der Mensch lacht häufig über das Schöne und Gute, das geschieht nur aus Leichtsinn; aber ich versichere Ihnen, meine Freunde, sobald er lächelt, wird er sich sogleich in seinem Inneren sagen: ›Nein, es war unrecht von mir zu lächeln, darüber darf man sich nicht lustig machen!‹«
»So wird es ganz bestimmt sein, Karamasow! Ich verstehe Sie, Karamasow!« rief Kolja mit blitzenden Augen.
Die anderen waren in starker Erregung und wollten ebenfalls etwas sagen, beherrschten sich jedoch und sahen Aljoscha nur unverwandt und gerührt an.
»Das sage ich für den möglichen schlimmen Fall, daß wir schlechte Menschen werden«, fuhr Aljoscha fort. »Aber warum sollen wir denn schlechte Menschen werden, nicht wahr, meine Freunde? Wir werden erstens und vor allen Dingen gute Menschen sein, zweitens ehrenhafte Menschen, und drittens werden wir einander niemals vergessen. Das wiederhole ich immer wieder. Ich meinerseits gebe Ihnen mein Wort darauf, meine Freunde, daß ich keinen von Ihnen vergessen werde! An jedes Gesicht, das mich in diesem Moment ansieht, werde ich mich erinnern, selbst nach dreißig Jahren noch. Vorhin hat Kolja zu Kartaschow gesagt, uns liege nichts daran zu wissen, ob er auf der Welt sei oder nicht. Aber könnte ich etwa vergessen, daß Kartaschow auf der Welt ist, daß er auch jetzt noch so rot wird wie damals, als er Troja entdeckte, und daß er mich mit seinen prächtigen, guten, heiteren Augen ansieht? Meine Herren, meine lieben Freunde, lassen Sie uns alle hochherzig und mutig werden wie Iljuschetschka, klug, mutig und hochherzig wie Kolja, der mit zunehmendem Alter jedoch noch weit klüger werden wird, und ebenso verschämt, aber vernünftig und liebenswürdig wie Kartaschow. Doch weshalb rede ich nur von diesen beiden? Sie alle, meine Freunde, sind mir von nun an lieb, Sie alle schließe ich in mein Herz! Und ich bitte Sie, mich ebenfalls in Ihr Herz zu schließen! Wer aber hat uns in diesem guten, schönen Gefühl vereinigt, an das wir uns jetzt unser Leben lang erinnern wollen und erinnern werden? Wer anders als Iljuschetschka, dieser gute, liebe junge, der uns für alle Zeit teuer ist! Wir werden ihn nie vergessen, sondern ihm ein gutes, ein ewiges Andenken in unseren Herzen bewahren, von nun an bis in Ewigkeit!«
»Ja, ja, ein ewiges Andenken, ein ewiges Andenken!« riefen alle Jungen mit ihren hellen Stimmen, und man sah ihren Gesichtern die Rührung an.
»Wir wollen uns auch an sein Gesicht erinnern und an seinen Anzug und an seine ärmlichen Stiefelchen und an seinen kleinen Sarg und an seinen unglücklichen, sündigen Vater und daran, wie er gegen die ganze Klasse mutig für ihn eintrat!«
»Ja, daran wollen wir uns erinnern!« riefen die Jungen wieder. »Er war mutig und gut!«
»Ich habe ihn liebgehabt!« rief Kolja.
»Kinderchen, meine lieben Freunde, fürchten Sie sich nicht vor dem Leben! Wie schön ist das Leben, wenn man etwas Gutes und Gerechtes tut!«
»Ja, ja!« stimmten die anderen begeistert zu.
»Karamasow, wir lieben Sie!« rief spontan eine Stimme, offenbar die von Kartaschow.
»Wir lieben Sie, wir lieben Sie!« fielen die anderen ein. Vielen standen Tränen in den Augen.
»Ein Hurra für Karamasow!« rief Kolja begeistert.
»Und ewiges Andenken dem toten Iljuscha!« fügte wieder Aljoscha mit Wärme hinzu.
»Ewiges Andenken!« fielen erneut die Jungen ein.
»Karamasow!« rief Kolja. »Ist es wirklich wahr, was die Religion lehrt, daß wir alle von den Toten auferstehen und einander wiedersehen werden, auch unseren Iljuschetschka?«
»Sicherlich werden wir auferstehen, sicherlich werden wir uns wiedersehen und uns froh und heiter alles erzählen, was uns im Leben begegnet ist«, antwortete Aljoscha, halb lachend, halb begeistert.
»Ach, das wird schön!«rief Kolja unwillkürlich.
»So, und jetzt wollen wir unsere Reden beenden und zu seinem Totenmahl gehen. Lassen Sie sich nicht dadurch beirren, daß es Pfannkuchen zu essen gibt. Das ist ein althergebrachter Brauch, der auch sein Gutes hat«, sagte Aljoscha lachend. »Nun, dann kommen Sie! Wir wollen jetzt Arm in Arm gehen!«
»Ja, und das immer, das ganze Leben hindurch. Arm in Arm! Ein Hurra für
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