Bobbie Faye 01 - Schlimmer Geht Immer
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Wissen Sie, wie manche Leute zu Höherem berufen werden? Also, Bobbie Faye Sumrall wachte eines Morgens auf, trat diesem Höheren die Zähne ein, rammte ihm das Knie zwischen die Beine und nahm es als Geisel. Seitdem winselt es um Gnade.
Ein ehemaliger Bürgermeister in Louisiana, in dessen Büro Bobbie Faye aus Versehen mit ihrem Wagen gefahren war, wobei Papiere auf die Straße geschleudert wurden, die seine Beteiligung an betrügerischen Machenschaften bewiesen und ihn hinter Gitter brachten
Irgendetwas Nasses, Schwammiges traf Bobbie Faye mitten ins Gesicht, sodass sie schlagartig hellwach war und begann, wie wild mit den Armen um sich zu schlagen. »Verdammt, Roy, du hast mich wieder mit einem der Fische getroffen, und ich werde …« Moment mal! In ihrem engen Trailer herrschte Dunkelheit. Es war weder ein Fisch in der Nähe noch stand ihr kleiner Bruder Roy hier irgendwo mit Unschuldsmiene herum. Natürlich hatte sie geträumt, denn Roy war inzwischen sechsundzwanzig und nicht mehr der zehnjährige Junge, allerdings immer noch eine absolute Nervensäge.
Sie versuchte sich das kalte Wasser aus dem Gesicht zu wischen. »Was war das?«, murmelte sie. »Und wieso zum Teufel bin ich so nass?«
»Du hast ein S’wimmbecken hier drin.«
Bobbie Faye kniff die Augen zusammen und starrte im Halbdunkel ihre fünfjährige Nichte Stacey an, deren blonde Zöpfe durch das Licht der Fliegenfalle direkt vor dem Fenster des Trailers von einem blauen Lichtkreis umgeben waren. Dann warf sie einen Blick auf den nassen Schläger aus Schaumgummi, den Stacey fallen gelassen hatte – er schwamm gut fünf Zentimeter über dem lindgrünen Zottelteppich.
»Mist!« Bobbie Faye sprang aus dem Bett und zuckte zusammen, als das eiskalte Wasser ihre Knöchel umspülte. »Verdammt! So ein verdammter, verfluchter Mist!«
»Mama sagt, du sollst nicht so viel fluchen.«
»Ach ja? Deine Mama sollte mal mit dem Trinken aufhören, Kleine, aber dazu wird es wohl auch nicht kommen.«
Ach Scheiße. Da hatte sie etwas echt Fieses gesagt. Sie beobachtete, wie Stacey darauf reagierte, doch ihre Nichte war voll und ganz mit dem durchgeweichten Schaumstoffschläger beschäftigt und schien sie gar nicht gehört zu haben. Gott sei Dank. Bobbie Faye hatte nicht vorgehabt, der kleinen Teppichratte wehzutun. Abgesehen davon konnte man morgens um vier wohl kaum von ihr verlangen, in ihrer Wortwahl besonders vorsichtig zu sein. Wer zum Teufel würde das überhaupt von ihr erwarten? Lori Ann natürlich. Ihre üppige, Pillen schluckende, gern dem Wein zusprechende kleine Schwester, der ein Grace-Kelly-Lächeln ins Gesicht gemeißelt zu sein schien, das sie immer erfolgreich und gelassen wirken ließ, selbst wenn sie gerade gegen eine Wand taumelte und auf ihrem Hintern landete.
Bobbie Faye würde niemals gelassen wirken.
Und ausgerechnet heute wollte die Frau vom Sozialamt vorbeikommen. Nachmittags um halb fünf. Sie sollte dann beurteilen, ob Bobbie Faye Stacey ein sicheres und beständiges Zuhause bieten konnte. Bobbie Faye fröstelte, als das eisige Wasser um ihre Knöchel schwappte. Irgendwie musste sie den Schaden rechtzeitig beheben – wo immer dieser Mist auch herkam –, dann bei der Eröffnungsveranstaltung des Piraten-Festivals den Vorsitz führen und vor halb fünf wieder zurück sein, um zu beweisen, dass sie während der vier Monate, in denen Lori Ann ihre vom Gericht angeordnete Entziehungskur im Troy House hinter sich brachte, eine gute Pflegemutter sein würde.
Oh, wie geil.
Wasser spritzte gegen ihre Knie, und sie beobachtete, wie Lori Anns kleiner Wadenbeißer begeistert durch den Flur stapfte.
»Deine Nil’ferde s’wimmen.« Stacey lachte und zeigte auf die Tiere, die über Bobbie Fayes dünnen weißen Baumwollpyjama zu tanzen schienen und im Dunkeln leuchteten. Dann hüpfte das Monsterkind mit Schwung im Wasser auf und ab, sodass es bis an Bobbie Fayes Ellbogen spritzte.
»Um Himmels willen, Stacey, wenn du noch ein einziges Mal hochspringst, werde ich dich in einen Frosch verwandeln.«
Stacey kicherte, aber zumindest hörte sie auf herumzuhopsen.
Bobbie Faye stand vor dem schmalen Hauswirtschaftsschrank des winzigen, dunklen Trailers und starrte wütend auf die Schuldige: ihre Waschmaschine. Sie war nun offenbar total durchgeknallt. Wasser schoss von irgendwo hinter der vibrierenden Katastrophenmühle wie aus einem Geysir hervor. Wenn sie in Besitz einer Waffe gewesen wäre, hätte sie auf das Ding geschossen. Und
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