Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
verschämten Armen. Besonders konnte er sich nicht verzeihen, daß er mich gar zu schnell als Freund angenommen und sich so schnell ergeben hatte. Erst war er auf mich losgestürzt und hatte mich einschüchtern wollen, und nun auf einmal, kaum hatte er das Geld gesehen, war er nahe daran gewesen, mich zu umarmen. Denn es hatte wirklich nicht viel gefehlt; er war mir schon immerzu mit seinen Händen sehr nahe gekommen. Gerade dadurch mußte er sich seiner ganzen Erniedrigung bewußt werden – und ausgerechnet da beging ich einen Fehler, einen sehr schweren Fehler. Ich sagte ihm, wenn das Geld zum Umzug in eine andere Stadt nicht ausreicht, würde er aus derselben Quelle noch mehr erhalten, und auch ich würde ihm von meinem Geld geben, soviel er wolle. Das war es, was ihn auf einmal stutzig machte: Er fragte sich, was nun auch ich für Grund hätte, ihm beizuspringen. Wissen Sie, Lisa, für einen vom Unglück verfolgten Menschen ist es furchtbar peinlich, wenn alle Leute sich als seine Wohltäter aufspielen. Ich habe das vom Starez gehört ... Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll, aber ich habe es oft selbst mit angesehen. Und ich für meine Person empfinde ebenso. Die Hauptsache jedoch ist dies: Wenn er auch bis zum letzten Augenblick nicht gewußt hat, daß er die Banknoten mit Füßen treten würde, so hat er es doch wenigstens geahnt, daran gibt es für mich kaum Zweifel. Eben deswegen war seine Verzückung so stark, weil er es geahnt hat. Und sehen Sie, so widerwärtig das alles auch sein mag, es wird doch zum Guten führen. Ich glaube sogar, zum Allerbesten, so daß es gar nicht besser sein könnte ... «
    »Warum könnte es gar nicht besser sein?« rief Lisa und sah dabei Aljoscha höchst erstaunt an.
    »Der Grund ist der, Lisa: Wenn er das Geld nicht mit Füßen getreten, sondern genommen hätte, so wäre er, nach Hause zurückgekehrt, etwa eine Stunde darauf über seine Erniedrigung in Tränen ausgebrochen – das wäre mit Sicherheit die Folge gewesen. Er wäre in Tränen ausgebrochen und schließlich morgen bei Tagesanbruch zu mir gekommen, hätte mir die Banknoten vielleicht hingeworfen und sie mit Füßen getreten, wie er es vorhin getan hat. Jetzt aber ist er ganz stolz und triumphierend fortgegangen, obgleich er weiß, daß er sich durch seine Handlungsweise zugrunde richtet. Folglich wird jetzt nichts leichter sein, als ihn gleich morgen zur Annahme dieser zweihundert Rubel zu bewegen; denn er hat nun schon bewiesen, daß er Ehrgefühl besitzt, hat das Geld hingeworfen und mit Füßen getreten. Er konnte ja, als er es mit Füßen trat, nicht wissen, daß ich es ihm morgen wiederbringen würde. Und dabei braucht er dieses Geld furchtbar nötig. Wenn er jetzt auch stolz ist, wird es ihm doch noch heute zu Bewußtsein kommen, welch eine Hilfe er ausgeschlagen hat. In der Nacht wird er noch mehr daran denken; er wird davon träumen. Und morgen früh wird er vielleicht willens sein, zu mir zu laufen und um Verzeihung zu bitten. Aber da werde ich selbst bei ihm erscheinen und sagen: ›Sie sind ein stolzer Mensch, Sie haben es bewiesen. Aber jetzt nehmen Sie es an, und verzeihen Sie uns!‹ Und dann wird er es annehmen!«
    Aljoscha hatte das in einer Art von Begeisterung ausgerufen: »Und dann wird er es annehmen!« Lisa klatschte in die Hände. »Ja, das ist richtig, das habe ich sehr gut begriffen! Aljoscha, woher wissen Sie das alles bloß? So jung ist er noch und weiß schon, was in der Seele eines Menschen vorgeht! Ich wäre nie darauf gekommen ... «
    »Vor allen Dingen müssen wir ihm jetzt die Überzeugung beibringen, daß er mit uns allen auf gleicher Stufe steht, obwohl er von uns Geld annimmt«, fuhr Aljoscha in seiner Begeisterung fort. »Und nicht nur auf gleicher Stufe, sondern sogar auf einer höheren ... «
    »Auf einer höheren Stufe ... vorzüglich, Alexej Fjodorowitsch! Aber fahren Sie fort, fahren Sie fort!«
    »Das heißt, ich habe mich nicht richtig ausgedrückt ... mit der höheren Stufe ... Aber das tut nichts; denn ...«
    »Ach, das tut nichts, das tut nichts, gewiß, das tut nichts! Verzeihen Sie, lieber Aljoscha ... Wissen Sie, ich habe Sie bisher wenig geachtet ... das heißt, ich habe Sie geachtet, aber wie einen, der mit mir auf gleicher Stufe steht. Jetzt jedoch werde ich Sie wie einen Höherstehenden achten ... Lieber Aljoscha, seien Sie nicht böse, daß ich witzele«, fügte sie sogleich mit Wärme hinzu. »Ich bin nur ein lächerliches, unbedeutendes Geschöpf,

Weitere Kostenlose Bücher