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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Augenblick nur dafür interessierte.
    »Mama hat mir eben erst die Geschichte von diesen zweihundert Rubeln mitgeteilt und von dem Auftrag, den Sie bekommen haben, Alexej Fjodorowitsch ... An diesen armen Offizier. Und sie hat mir diese ganze schreckliche Geschichte erzählt, wie er beleidigt worden ist. Und wissen Sie, obgleich Mama sehr ungeschickt erzählt, denn sie überspringt immer dies und das, habe ich doch beim Zuhören geweint. Nun, wie ist es? Haben Sie das Geld abgegeben, und wie geht es jetzt diesem Unglücklichen?«
    »Das ist es eben, daß ich ihn nicht zur Annahme bewegen konnte! Eine lange Geschichte!« antwortete Aljoscha, der gleichfalls so tat, als bestünde sein hauptsächlicher Kummer darin, daß er das Geld nicht hatte loswerden können. Dabei merkte Lisa sehr wohl, daß auch er zur Seite blickte und sich ebenfalls sichtlich bemühte, von Nebensächlichem zu reden. Aljoscha setzte sich an den Tisch und begann zu erzählen; und schon bei den ersten Worten schwand seine Verlegenheit, und er riß seinerseits Lisa mit sich fort. Er sprach unter der Einwirkung eines starken Gefühls und des außerordentlichen Eindrucks, den er kurz vorher empfangen hatte, und es gelang ihm, gut und anschaulich zu erzählen. Er war auch früher, als sie noch in Moskau wohnten und Lisa noch ein Kind war, des öfteren zu ihr gekommen und hatte ihr allerlei erzählt, mal etwas Erlebtes, mal etwas Gelesenes und Erinnerungen aus seiner Kindheit. Manchmal hatten sie auch beide zusammen ihrer Phantasie die Zügel schießen lassen und mit vereinten Kräften ganze Geschichten ausgedacht, größtenteils lustige und lächerliche. Jetzt fühlten sie sich auf einmal beide in die frühere Moskauer Zeit zurückversetzt. Lisa war von seiner Erzählung sehr ergriffen.
    Aljoscha hatte verstanden, ihr mit Wärme ein Bild von Iljuschetschka zu entwerfen. Als er aber die Szene mit allen Einzelheiten zu Ende beschrieben hatte, wie jener Mensch das Geld mit Füßen getreten hatte, da schlug Lisa die Hände zusammen und rief mit mächtiger Empfindung: »Also haben Sie ihn nicht zur Annahme des Geldes bewegen können? Haben ihn weglaufen lassen? O Gott, Sie hätten ihm doch wenigstens nachlaufen sollen ...«
    »Nein, Lisa, es ist besser, daß ich ihm nicht nachgelaufen bin«, erwiderte Aljoscha, stand vom Tisch auf und ging sorgenvoll im Zimmer auf und ab.
    »Wieso soll das besser sein? Inwiefern soll das besser sein? Jetzt haben die dort kein Brot und werden umkommen!«
    »Sie werden nicht umkommen, weil ihnen diese zweihundert Rubel doch nicht entgehen werden. Morgen wird er sie trotz allem nehmen. Morgen wird er sie bestimmt nehmen«, sagte Aljoscha, noch immer nachdenklich hin und her wandernd. »Sehen Sie, Lisa«, fuhr er fort und blieb plötzlich vor ihr stehen. »Ich selbst habe hierbei einen Fehler gemacht, aber auch dieser Fehler wird zum Guten ausschlagen.«
    »Was für einen Fehler? Und wieso wird er zum Guten ausschlagen?«
    »Hören Sie den Grund. Er ist ein furchtsamer, charakterschwacher Mensch, zerquält, aber herzensgut. Ich frage mich jetzt immerzu: Wodurch hat er sich auf einmal so gekränkt gefühlt, daß er das Geld mit Füßen trat? Denn ich versichere Sie, bis zum letzten Augenblick hat er nicht gewußt, daß er das tun würde. Es scheint mir, daß ihn zu vieles gekränkt hat, und es konnte auch in seiner Lage gar nicht anders sein. Erstens war es ihm schon peinlich, daß er sich in meiner Gegenwart so sehr über das Geld gefreut und diese Freude vor mir nicht verborgen hatte. Hätte er sich maßvoller gefreut, hätte er seine Freude nicht so offen gezeigt, sondern wie andere Leute Redensarten gemacht und sich verstellt, nun, dann hätte er es noch vermocht, das Beschenktwerden zu ertragen und das Geld anzunehmen. So aber hatte er sich schon zu offen gefreut, und das war ihm peinlich. Lisa, er ist ein ehrlicher, herzensguter Mensch, und gerade das gereicht in solchen Fällen zum Schaden! Die ganze Zeit, während er sprach, war seine Stimme so schwach und kraftlos, und er sprach so schnell und hastig und lachte so eigentümlich oder weinte gar schon ... Wirklich, er weinte, so begeistert war er ... Und von seinen Töchtern sprach er ... Und von der Stelle, die er in einer anderen Stadt bekommen würde ... Und kaum hatte er in dieser Weise sein Herz ausgeschüttet, begann er sich auch schon zu schämen, daß er mir sein Inneres so gezeigt hatte. Und in dem Moment begann er mich zu hassen. Er gehört eben zu den

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