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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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betrachtete mich nämlich als schätzbaren Heiratskandidaten. Ich aber sprach danach kein Wort mit ihr, fünf Monate lang keine Silbe. Wenn getanzt wurde, und bei uns wurde fortwährend getanzt, sah ich, wie mir aus einer Ecke des Saales ihre Augen folgten. Ich sah, wie in ihnen ein Fünkchen glühte, ein Fünkchen sanften Unwillens. Dieses Spiel amüsierte die Wollust des Wurmes in mir. Fünf Monate darauf heiratete sie einen Beamten und zog fort – zürnend und vielleicht immer noch liebend. Jetzt leben sie glücklich. Beachte, daß ich niemand etwas davon gesagt, es nicht ausposaunt habe! Also – wenn ich auch gemeine Gelüste habe und die Gemeinheit liebe, bin ich doch kein ehrloser Mensch. Du errötest, und deine Augen glänzen. Ich will dich nicht weiter mit diesem Schmutz behelligen. Und doch sind das alles nur so kleine Blüten im Stil von Paul de Kock, während der grau arme Wurm in meiner Seele wuchs und immer größer wurde. Ich habe da ein ganzes Album voll solcher Erinnerungen. Möge Gott diesen lieben weiblichen Wesen Gesundheit schenken! Wenn ich mit einer Schluß machte, dann am liebsten ohne Streit und Zank. Und nie habe ich eine verraten, nie eine in üblen Ruf gebracht. Aber genug davon! Hast du wirklich geglaubt, daß ich dich wegen solcher Lappalien gerufen habe? Nein, ich werde dir eine interessantere Geschichte erzählen! Wundere dich aber nicht, daß ich mich nicht vor dir schäme, sondern darüber sogar froh erscheine.«
    »Das sagst du, weil ich rot geworden bin«, bemerkte Aljoscha plötzlich. »Aber ich bin nicht wegen deiner Reden und deiner Taten rot geworden, sondern weil ich genau so ein Mensch bin wie du.«
    »Du? Na, das dürfte übertrieben sein.«
    »Nein, durchaus nicht«, erwiderte Aljoscha eifrig; offenbar hatte er diesen Gedanken schon lange mit sich herumgetragen. »Das ist alles ein und dieselbe Treppe. Ich stehe auf der untersten Stufe und du oben, so etwa auf der dreißigsten. So sehe ich die Sache. Wer die unterste Stufe betreten hat, wird mit Sicherheit auch die oberste erreichen.«
    »Also sollte man die Treppe gar nicht erst betreten?«
    »Wer es schafft, sollte sie gar nicht erst betreten.«
    »Und du – schaffst du es?«
    »Ich glaube, nein.«
    »Schweig, Aljoscha. Schweig, mein Lieber, ich möchte dir die Hand küssen vor Rührung. Diese schlaue Gruschenka ist doch eine Menschenkennerin! Sie hat zu mir gesagt, einmal würde sie auch dich in ihren Bann ziehen. Aber ich bin schon still! Lassen wir die Schandtaten, dieses mit Fliegenschmutz besudelte Blatt Papier. Gehen wir zu meiner Tragödie über, die ebenfalls so ein mit Fliegenschmutz, das heißt mit allen möglichen Gemeinheiten, besudeltes Blatt Papier ist. Die Sache ist nämlich die: Mag das von der Verführung unschuldiger Mädchen auch von dem Alten erlogen sein, im Grunde ist es in meiner Tragödie so und nicht anders gewesen, wenn auch nur einmal, und dann auch bloß halb. Der Alte, der mir Ungeschehenes zum Vorwurf macht, hat davon keine Kenntnis. Ich habe niemand davon erzählt, du bist der erste, dem ich jetzt davon erzähle. Natürlich außer Iwan. Iwan weiß alles, schon längst. Aber Iwan schweigt wie das Grab.«
    »Iwan schweigt wie das Grab?«
    »Ja.«
    Aljoscha hörte mit höchster Aufmerksamkeit zu.
    »Wenn ich auch in diesem Linienbataillon den Rang eines Fähnrichs hatte, stand ich doch gewissermaßen unter Aufsicht, ähnlich wie ein Verbannter. Das Städtchen aber hatte mich außerordentlich gut aufgenommen. Mit dem Geld warf ich nur so um mich; man hielt mich für reich und ich mich selber auch. Ich muß den Leuten noch durch etwas anderes gefallen haben. Sie schüttelten zwar die Köpfe über mich, doch sie hatten mich wirklich gern. Mein Oberstleutnant, ein älterer Mann, mochte mich plötzlich nicht mehr. Er suchte mir etwas am Zeug zu flicken, aber ich verstand meinen Dienst; außerdem stand die ganze Stadt auf meiner Seite, so konnte er mir nicht allzuviel anhaben. Schuld war ich selbst, ich verweigerte ihm absichtlich den gebührenden Respekt. Ich war stolz. Dieser alte Starrkopf, übrigens ein braver Mensch und großzügiger Gastgeber, hatte zwei Frauen gehabt; beide waren gestorben. Die erste, aus einfachem Stand, hatte ihm eine Tochter hinterlassen, die ebenfalls sehr einfach wirkte. Sie war damals etwa vierundzwanzig und lebte bei ihrem Vater, zusammen mit einer Tante, der Schwester ihrer verstorbenen Mütter. Die Tante strahlte eine stille Einfachheit aus. Die Nichte hingegen, die

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