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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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fürchtete ich fast, er würde vor meinen Augen sterben. Es dauerte eine Zeitlang, bis er sich wieder gefangen hatte und sprechen konnte, und dann sagte er: »Mein Leben bedeutet nichts. Aber was Jossi dem Heckenrosental angetan hat, das kann nie gesühnt oder verziehen werden.« »Ob es verziehen wird oder nicht - Jossi hat seine Strafe bestimmt schon bekommen«, sagte Jonathan, »Ihn siehst du nie wieder!«
    Doch Orwar raste vor Zorn. Und er wollte sofort weiter, es war, als wollte er den Freiheitskampf noch diesen Abend beginnen, und er fluchte über seine Beine, die ihn nicht tragen wollten, immer wieder versuchte er, sich zu erheben und zu stehen, und schließlich gelang es ihm. Voll Stolz zeigte er es uns. Was für ein Anblick, ihn dort stehen und hin und her schwanken zu sehen, als könne er umgeweht werden.
    Man mußte lächeln, wenn man ihn so sah.
    »Orwar«, sagte Jonathan, »man sieht dir von weitem an, daß du ein Gefangener der Katlahöhle bist.« Und das stimmte. Blutig und schmutzig waren wir alle drei, doch Orwar am schlimmsten: Seine Kleidung war zerfetzt, und Bart und Haare waren so lang und wild, daß sein Gesicht kaum zu sehen war. Nur die Augen sah man. Seine merkwürdigen, brennenden Augen.
    Durch unsere Felskluft floß ein kleiner Bach, und dort wuschen wir Schmutz und Blutspuren ab. Immer wieder tauchte
    »Wann können wir da sein?« fragte ich. »Falls alles gutgeht, in einer halben Stunde«, antwortete Jonathan.
    Und gerade da sahen wir sie! Einen Trupp Tengilmänner, sechs Speerträger auf schwarzen Rossen. Wo der Weg um eine Felswand führte, tauchten sie auf und kamen geradewegs auf uns zugetrabt.
    »Jetzt geht es ums Leben«, rief Jonathan. »Hierher, Orwar!« Orwar galoppierte zu uns, und Jonathan warf ihm seine Zügel zu, damit wir etwas mehr wie Gefangene aussahen. Noch hatten sie uns nicht entdeckt, aber zur Flucht war es zu spät.
    Wohin hätten wir auch fliehen sollen? Wir konnten nichts anderes tun, als auf sie zureiten und hoffen, Orwars Helm und Mantel werde sie täuschen.
    »Lebendig kriegen sie mich nicht«, sagte Orwar. »Damit du es weißt Löwenherz!«
    So ruhig wie möglich ritten wir auf unsere Feinde zu. Immer näher kamen wir.
    Mich überlief eine Gänsehaut, und ich mußte denken: Wenn wir jetzt noch geschnappt werden, dann hätten sie uns ebensogut in der Katlahöhle festnehmen können und wir hätten uns nicht die ganze Nacht nutzlos abzuplagen brauchen.
    Dann trafen wir aufeinander. Sie zügelten ihre Pferde, um auf dem schmalen Pfad an uns vorbeizukommen. Und der Anführer des Trupps war ein alter Bekannter.
    Es war Park. Jonathan und mich blickte er nicht an. Er sah nur Orwar. Und als sie aneinander vorbeiritten, fragte er: »Hast du gehört, ob sie ihn schon gekriegt haben?« »Nein, hab nichts gehört«, antwortete Orwar.
    »Und wo willst du hin?« fragte Park.
    »Ich hab hier zwei Gefangene«, sagte Orwar, und mehr erfuhr Park nicht. Danach ritten wir weiter, so schnell wir es wagten.
    »Dreh dich vorsichtig um, Krümel, und sieh, was sie machen«, sagte Jonathan. Ich tat es. »Sie reiten fort«, sagte ich. »Gott sei Dank!« rief Jonathan.
    Doch er hatte sich zu früh gefreut. Jetzt sah ich sie anhalten und uns nachblicken.
    »Sie überlegen«, sagte Jonathan. Und das taten sie offenbar.
    »Haiti« schrie Park. »Halt an, ich will mir deine Gefangenen ein bißchen näher anschauen und dich auch.« Orwar biß die Zähne zusammen.
    »Reit zu, Jonathan«, rief er. »Sonst sind wir des Todes!« Und wir galoppierten los.
    Sofort machten Park und der ganze Trupp kehrt, ja, sie kehrten um und setzten uns nach, daß die Mähnen ihrer Pferde nur so flatterten. »Jetzt zeig, was du kannst, Grim!« rief Jonathan. Und du auch, mein Fjalar, dachte ich und wünschte, ich könnte ihn selber reiten.
    Bessere Renner als Grim und Fjalar gab es nicht. Sie flogen nur so auf dem Pfad dahin, sie wußten, daß es um Leben oder Tod ging! Wir hörten die klappernden Hufe unserer Verfolger manchmal näher, manchmal entfernter, aber beharrlich. Sie verstummten nicht. Denn jetzt wußte Park, wen er jagte, und eine solche Beute wollte sich kein Tengilmann entgehen lassen. Mit ihr vor Tengil hinzutreten, das wäre etwas!
    Als wir über die Brücke galoppierten, waren sie uns dicht auf den Fersen, ein paar Speere schwirrten hinter uns her, erreichten uns aber nicht.
    Jetzt waren wir auf der Nangijala-Seite, und nun sollten wir eigentlich das Schlimmste hinter uns haben. Das hatte Jonathan

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