Die Brüder Löwenherz
mich mehr gefreut, sie zu sehen!
»Sophia«, rief ich, »Sophia, ich bin hier!« Ich kletterte von der Weide hinunter und winkte. Es dauert« eine Weile, bis sie begriff, daß ich es war. »Aber Karl«, rief sie,
»wie kommst du denn hierher? Wo ist Jonathan? Warte, wir kommen zu dir hinunter, wir müssen ohnehin unsere Pferde tränken.« Da erst sah ich die beiden Männer hinter ihr, sie waren auch zu Pferde. Als ersten erkannte ich Hubert. Der zweite war verdeckt, doch dann ritt er ein Stückchen vor. Und ich sah ihn. Es war Jossi!
Aber das konnte doch nicht Jossi sein! Ich glaubte schon, ich hätte den Verstand verloren und sähe Gespenster. Sophia konnte doch nicht mit Jossi kommen! Was war denn da schiefgegangen? War Sophia am Ende auch verrückt geworden? Oder hatte ich nur geträumt daß Jossi ein Verräter war? Nein, nein, ich hatte es nicht geträumt, er war ein Verräter. Und ich sah auch keine Gespenster, denn jetzt kam er auf mich zugeritten. Was würde nun geschehen? Hilfe, was sollte bloß geschehen? Er kam zum Fluß heruntergeritten und rief schon von weitem:
»Schau an, Karlchen Löwenherz, daß man dich hier wiedersieht!«
Sie kamen alle drei. Ich stand ganz still unten am Fluß und erwartete sie und hatte nur einen Gedanken im Kopf: Hilfe, was wird jetzt geschehen?
Sie sprangen vom Pferd, und Sophia kam auf mich zugelaufen und umarmte mich.
Sie freute sich sehr, ihre Augen strahlten. »Bist du etwa wieder auf der Wolfsjagd?«
fragte Hubert und lachte.
Ich starrte ihn nur stumm an.
»Wo wollt ihr hin?« brachte ich schließlich mühsam hervor. »Jossi will uns zeigen, wo man am besten die Mauer durchbrechen kann«, sagte Sophia. »Wir müssen es wissen - für den Tag des Kampfes.«
»Ja, unbedingt«, bestätigte Jossi. »Ehe wir angreifen, müssen wir einen fertigen Plan haben.«
In mir kochte es. Dein Plan ist jedenfalls fertig, dachte ich. Ich wußte ja, weshalb er gekommen war. Er wollte Sophia und Hubert in eine Falle locken. Geradewegs ins Verderben würde er sie führen, falls niemand ihn daran hinderte. Aber irgend jemand mußte ihn daran hindern, dachte ich. Dann begriff ich: Hilfe, ich selber muß es tun! Und ich durfte nicht zögern. Es mußte gleich geschehen. Wie schwer es mir auch fiel, ich mußte es tun, und ich mußte es jetzt tun. Aber wie sollte ich es anfangen?
»Sophia, wie geht es Bianca?« fragte ich schließlich. Sophia sah mich traurig an.
»Bianca ist aus dem Heckenrosental nie zurückgekehrt«, sagte sie. »Aber sag, weißt du etwas von Jonathan?«
Sie wollte nicht von Bianca sprechen. Aber ich wußte jetzt, was ich wissen wollte.
Bianca war tot. Deshalb also war es möglich, daß Sophia mit Jossi hierherkam.
Unsere Botschaft hatte sie nie erreicht.
Auch Jossi erkundigte sich nach Jonathan. »Er ist doch nicht etwa gefaßt worden?«
fragte er. »Nein, das ist er nicht«, sagte ich und sah Jossi starr in die Augen. »Er hat gerade Orwar aus der Katlahöhle befreit.« Da wurde Jossis rotes Apfelgesicht blaß, und er sprach kein Wort mehr. Sophia und Hubert aber jubelten, oh,wie sie jubelten!
Sophia umarmte mich wieder, und Hubert sagte: »Eine bessere Nachricht können wir uns nicht wünschen!« Sie wollten wissen, wie das alles zugegangen war. Aber Jossi nicht, er hatte es plötzlich eilig.
»Das können wir später immer noch hören«, sagte er. »Wir müssen an die bewußte Stelle, bevor es dunkel wird.« Ja, denn dort liegen Tengils Soldaten wohl schon auf der Lauer, dachte ich.
»Komm, Karl«, sagte Sophia, »wir reiten zusammen auf meinem Pferd, du und ich.«
»Nein!« rief ich. »Mit dem Verräter da sollst du nirgends hinreiten.«
Ich zeigte auf Jossi und dachte, jetzt bringt er mich um! Mit seinen großen Händen packte er mich am Hals und zischte: »Was sagst du da! Noch ein Wort, und es ist aus mit dir!« Sophia brachte ihn dazu, mich loszulassen. Doch sie war mir böse.
»Karl, es ist niederträchtig, jemanden einen Verräter zu nennen, der es nicht ist.
Aber du bist wohl zu klein, um ganz zu verstehen, was du da gesagt hast.« Und Hubert? Er lachte nur leise vor sich hin. »Und ich dachte, ich bin der Verräter«, sagte er. »Weil ich doch zuviel weiß und so gern Schimmel mag, oder was du da auf dem Reiterhof an die Küchenwand geschrieben hast.« »Ja, Karl, du wirfst mit Beschuldigungen nur so um dich«, sagte Sophia streng. »Jetzt ist es aber genug!«
»Hubert, ich bitte dich um Verzeihung«, sagte ich. »Na, und Jossi?« fragte
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