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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sagen hat, ist es natürlich angebracht, das öffentlich zu tun«, meinte Sverre nachdenklich. »Genauso, wie man ein sehenswertes Kunstwerk ausstellen sollte.«
    »Das ist kein schlechter Vergleich«, meinte Maynard. »Hätte ich die englische Friedensdelegation nicht verlassen, wären meine Ansichten nie aus den Konferenzräumen herausgekommen, denn dann wäre ich an die Schweigepflicht gebunden gewesen. Du hast also sicher recht. Wann willst du eigentlich deine Werke ausstellen? Roger ist überzeugt, dass du deinen Durchbruch erleben wirst und dein Name dann weltweit in aller Munde ist.«
    »So etwas lässt sich nur schwer vorhersagen«, wandte Sverre verlegen ein. »Ich habe Verträge für zwei Ausstellungen in New York unterschrieben, die stattfinden sollen, sobald der Krieg vorüber ist. Eine, die wir die Afrikanische Ausstellung nennen …«
    »Die, die mit der Titanic untergegangen ist?«
    »Ja, aber ich habe sie rekonstruiert. Die zweite ist eine allgemeinere Ausstellung mit recht unterschiedlichen Motiven. Albie und ich sind der Meinung, dass die Voraussetzungen in den USA besser sind als hier in England.«
    »Davon kann man zweifellos ausgehen.« Maynard lachte. »Die Nachwelt wird sich über die englische Kunstkritik kaputtlachen. Aber wie geht es Albie eigentlich?«
    »Ich weiß nicht. Das ist das Schlimmste. Ich habe seit fünf Monaten nichts mehr von ihm gehört.«
    *
    Daressalam, 23. April 1918
    Lieber Sverri,
    entschuldige, dass ich so lange nicht geschrieben habe, aber das war praktisch unmöglich. Unsere Jagd auf die letzten hartgesottenen Hunnen war nur in Maßen erfolgreich. Sie ziehen sich immer wieder zurück und lauern im Hinterhalt, statt sich uns im offenen Kampf zu stellen.
    Diese feige Taktik bereitet uns einigen Kummer. Insbesondere da zwei ihrer Heckenschützen sich darauf spezialisiert haben, unseren Offizieren die Helme vom Kopf zu schießen . Einige meiner Offizierskameraden setzen ihre Helme schon gar nicht mehr auf, um dieser Geschmacklosigkeit nicht noch weiter Vorschub zu leisten, mir würde so etwas natürlich nie einfallen. Du kennst mich und verstehst sehr gut, warum.
    Jetzt ist Regenzeit, und wir haben uns nach Dar zurückge­zogen, um uns auszuruhen, da man während der starken Regenfälle ohnehin nicht kämpfen kann. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass wir, sobald der Regen endet, mit den He­ckenschützen kurzen Prozess machen werden. Die Armee­führung hat demjenigen, dem es gelingt, sie abzuknallen, eine Prämie von 50 Pfund ausgesetzt. Das wäre also geregelt.
    Apropos Regen: Das Klima hier in Tanganjika ist um einiges beschwerlicher als im Hochland Kenias bei Lord Delamere. Außerdem locken uns die Hunnen unentwegt in Regionen, in denen die Insekten unseren Pferden besonders zusetzen.
    Ich kann natürlich nicht mit Sicherheit wissen, welcher Sieg zuerst kommt, unserer hier in Afrika oder der Sieg Englands und unserer Alliierten auf den europäischen Schlachtfeldern. Aber da der Sieg in jedem Fall gewiss ist, können wir jetzt mit Gottvertrauen meiner baldigen Heimreise entgegensehen. Man hat mich zum Major befördert, mir einige Orden verliehen, derer ich mich nicht unbedingt verdient gemacht habe. Aber bald, wenn ich wieder zu Hause bin, können wir uns gemeinsam darüber freuen.
    Viele herzliche Grüße an Margie.
    Dein Freund Albie
    PS: Wäre es nicht an der Zeit, dass ihr heiratet, Margie und du? Auch darüber müssen wir sprechen, wenn ich wieder zu Hause bin.
    Bei dem Brief handelte es sich um eine codierte Mitteilung, die die englische Militärzensur täuschen sollte, wie bereits aus den ersten Zeilen hervorging. Der Text hätte Albies Persönlichkeit und Ausdrucksweise nicht ferner ­liegen können. Eines war Albie jedenfalls gelungen: Sein Brief hatte die Zensur passiert, obwohl er darin höchst unzulässige Zweifel an einem Sieg und seinem eigenen Überleben übermittelt hatte.
    Sverre war sich dennoch nicht sicher, ob er alles, was Albie geschrieben hatte, dechiffrieren konnte. Nur einer Person aus dem lärmenden, fröhlichen Charleston-Kreis traute er dies zu: Maynard, der die politische und analy­tische Intelligenz besaß, die den meisten anderen im Haus vollkommen fehlte. Außerdem kannte Maynard sich mit Waffen und militärischer Taktik aus.
    Maynard hatte die Arbeit an seinem Buch äußerst dis­zipliniert in Angriff genommen. Morgens schrieb er an seinem Buch, am Nachmittag kniete er auf einem kleinen Teppich und jätete mit einer kleinen Schere

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