Die Brueder
sie in lautes Gelächter ausgebrochen.
»Wir werden gegen diese Beschlagnahmung selbstverständlich gerichtlich vorgehen und so lange prozessieren, bis wir unsere Kunstsammlung zurückhaben«, erklärte Margie und wollte bereits aufstehen. Sverre folgte ihrem Beispiel.
Die beiden Anwälte blieben jedoch reglos und mit todernster Miene sitzen.
»Ich fürchte, Mylady, dass sich kein Rechtsstreit mehr über diese minderwertigen Gemälde führen lässt«, sagte Sir Travers Humphrey leise. Dann holte er tief Luft und fuhr fort:
»Lord Horace Fitzgerald sah einen solchen peinlichen Prozess, der zweifellos zu einem Skandal geführt hätte, voraus. Deswegen ließ er sämtliche Gemälde, von denen soeben die Rede war, verbrennen.«
Margie und Sverre sanken wieder auf ihre Stühle und starrten die beiden Anwälte fassungslos an, die sich weiterhin um ungerührte Mienen bemühten.
Plötzlich erhob sich Sverre so rasch, dass sein Stuhl umfiel, und rannte aus der Küche. Margie wusste sofort, was er vorhatte, und folgte ihm.
Als sie die vierzig Yard lange Galerie erreichten, sahen sie, dass kein einziges Gemälde mehr an der hohen weißen Längswand hing. Vereinzelte Schatten verrieten, wo die Bilder einmal gehangen hatten.
Kein Wort kam ihnen über die Lippen, als sie auf das Unfassbare starrten.
Ein paar Yards vor den Fenstern der Galerie lag ein weißer Aschehaufen, der noch leicht qualmte. Sverre entdeckte ihn als Erster und rannte auf die der Werkstatt gegenüberliegende Tür zu.
Wenig später standen sie vor dem drei Fuß hohen Aschehaufen. Rundherum lagen noch einige Trümmer, die schonungslos von dem Vorgefallenen zeugten: die Ecke eines Goldrahmens, ein Holzstück mit einem Stück verkohlter Leinwand, die von einem rot leuchtenden Kupfernagel gehalten wurde, und ein Stück Leinwand mit Farbresten, das Sverre aufhob und Margie zeigte. Ein Teil der Signatur ließ sich noch entziffern, die Buchstaben »anne«.
»Hast du deinen Fotoapparat dabei?«, fragte Sverre. »Du bist doch nie ohne deinen Fotoapparat unterwegs?«
Margie nickte schweigend, zog ihre Kamera hervor, klappte das Objektiv auf und stellte die Belichtungszeit ein. Sverre postierte sich vor dem Aschehaufen und hielt das Fragment der Cézanne-Signatur in die Höhe.
Nachdem Margie einige Aufnahmen gemacht hatte, legte Sverre ihr den Arm um die Schultern, und dann schickten sie sich an, zu den wartenden Anwälten zurückzukehren. Plötzlich bekam Sverre einen Lachanfall, der Margie einen ordentlichen Schrecken einjagte, dann fing er sich rasch wieder.
Demonstrativ langsam nahmen sie wieder am Küchentisch vor den beiden Anwälten Platz. Es war nichts mehr zu sagen. Die Katastrophe war ein Faktum.
»Begreifen Sie eigentlich …«, begann Sverre angestrengt nach einer quälend langen Stille, »was Sie da angerichtet haben? Haben Sie auch nur die geringste Ahnung, welche Schätze Sie da in die Flammen geworfen haben?«
»Nein, in der Tat nicht«, gab Sir Travers Humphrey zu. »Aber Seine Gnaden hat vorausgesehen, dass diese etwas radikale Methode, einem recht peinlichen Konflikt auszuweichen, eine Entschädigung erforderlich machen könnte. Was für ein Wert schwebt Ihnen denn vor? Ich bin ermächtigt, großzügig auf eventuelle Forderungen einzugehen.«
Sverre lachte nochmals kurz und hysterisch auf, fing sich jedoch auch dieses Mal wieder.
»Was für ein Wert?«, erwiderte er. »Wenn man einmal davon absieht, dass Sie mein Lebenswerk zerstört haben, das vielleicht keinem sonderlichen Geldwert entsprach, haben Sie Gemälde verbrannt, deren Wert recht bald den Wert von ganz Manningham übersteigen dürfte. Trotzdem haben Sie nicht in erster Linie Geld verbrannt, sondern die Menschheit eines unersetzlichen Kunstschatzes beraubt. Weder mich noch die Menschheit können Sie entschädigen. Haben Sie etwas dagegen einzuwenden, dass ich einige Kleider aus meinem alten Zimmer mitnehme?«
Die Anwälte verneinten und legten regelrechte Munterkeit und ungewöhnliches Entgegenkommen an den Tag, da ihnen offenbar lange Verhandlungen um Geld erspart bleiben würden.
Im Zug nach Paddington schwiegen sie die meiste Zeit. Die grausame Wirklichkeit sprach für sich.
Sverre fiel während der ersten halben Stunde nur eine Frage ein. Wer denn dieser Horace Fitzgerald sei, der, ohne sich dessen bewusst zu sein, in der Kunstgeschichte neben Herostratos Platz genommen hatte.
Ein Cousin zweiten Grades, teilte Margie lustlos mit. Ihr Vater hatte ja keinen, ihr
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