Die Bucht des grünen Mondes
Beinen zu umschlingen und mit den Zähnen nach ihm zu schlagen. Da Silva heulte nicht mehr allein vor Zorn. Seine Hände glitten an Rubens regennassem Körper ab, während ihn seine schwere Kleidung behinderte. Ruben bedrängte ihn wie der Chullachaqui, dass es selbst Amely angst und bange wurde. Sie kroch tiefer in das Gebüsch, wollte hier ausharren – an Rubens Sieg hatte sie kaum einen Zweifel mehr. Und das dumme Blasrohr, die einzige Waffe, mit der sie ihm beistehen könnte, fand sich ohnehin nicht.
Eine Hand legte sich fesselgleich um ihr Fußgelenk. Ihr Schrei blieb ihr vor Schreck in der Kehle stecken. Sie sackte auf den Bauch, strampelte, konnte nicht verhindern, dass sie wieder ein Stück aus dem Gebüsch gezerrt wurde. Der schwere Leib da Silvas warf sich auf ihren Rücken. Sein blutender Unterarm schlug gegen ihre Kehle, dass es sie würgte. Er wälzte sich mit ihr herum, kam unter ihr zu liegen. Der Regen spülte brennenden Schweiß in Amelys Augen, machte sie für einen Augenblick blind. Dann sah sie Ruben – knien auf allen vieren, schwer atmend. Unwillkürlich hielt sie nach der Klinge in seinem Bauch Ausschau. Nein,
das
war Felipe nicht gelungen. Er hatte ihm offenbar nur einen kräftigen Tritt verpasst, an dem er jedoch schwer kaute.
«Bleib mir vom Leib!», brüllte Felipe unter ihr – hinter ihr, dicht an ihrem Ohr. Etwas Metallisches blitzte in ihrem Blickwinkel auf. Die Spitze von Rubens Messer schwebte dicht über ihrem Auge. «Sonst steche ich sie ab!»
Wankend kam Ruben auf die Beine. Er schüttelte sich, dass die Wassertropfen aus seinen Strähnen flogen. Auch er hatte einiges einstecken müssen, wie die geröteten Schwellungen an Brust und Armen verrieten. Er stützte sich auf die Knie und schöpfte rasselnd Luft.
«Nimm deinen Einbaum und verschwinde», forderte da Silva. Enttäuschung, seinen Gegner nicht zur Strecke bringen zu können, schwang in den Worten mit.
Die Spitze zitterte. Amely versuchte den Kopf wegzudrehen, vergebens; der Unterarm um ihren Hals ließ kaum zu, dass sie zu Atem kam.
Schwer schnaufend kam Ruben geduckt näher. Er sah furchterregend aus. Sein Mund war verschmiert von Felipes Blut. Seine Augen glühten. Amely traute seiner Kampfeswut zu, stärker als alle Vernunft zu sein. Der Falke wollte töten – ob sie hier nun lag oder nicht. Seine ebenso blutigen Finger krümmten sich an den Seiten, als verlangten sie nach einer Waffe.
«Bleib zurück, du wildes Tier», knurrte da Silva. «Du bist ja längst nicht mehr Wittstocks Sohn. Diabo!»
Ohne sie loszulassen, setzte er sich auf. Ihr schwindelte, da jeder Atemzug eine Qual war. Ihre Nägel kratzten über seine Unterarme; er schien es nicht zu bemerken. Sie wand sich, drehte sich. Und erblickte entsetzt das Blasrohr in seiner freien Hand. Sie schnappte danach. Aber ihr fehlte jede Kraft. Felipes Oberkörper ruckte hoch; er setzte das Bambusrohr an den Mund. Da spürte sie unter der linken Hand ein vertrautes Brennen. Sie langte in die Ameisen und schleuderte sie mitsamt dem Sand hinter sich.
Er fluchte und würgte sie noch mehr. Es war ihr gleich – wenn sie nur seinen Schuss verdorben hatte.
Nein.
Ruben keuchte auf. Er griff sich an den Hals und sackte vornüber. Noch stand er auf den gespreizten Beinen; seine Haare schwangen vor ihm hin und her. Das röchelnde Geräusch, das aus seiner Kehle kam, ging ihr durch Mark und Bein.
Nein! Nicht das! Nicht jetzt!
Heulend schlug sie nach da Silva; endlich ließ er sie los. Auf die Ellbogen gestützt, starrte er Ruben an, das Gesicht im Triumph verzerrt.
«Ruben!» Endlich gelang es ihr, zu schreien. «Ruben!»
Plötzlich warf er die Haare zurück und richtete sich auf. Und ebenso überraschend hob er die Winchester vom Boden auf und legte sie an. Ganz deutlich sah Amely den Dorn des Blasrohrs in seinem Hals stecken.
Mit drei raschen Schritten war er bei da Silva. Der versuchte rücklings von ihm fortzukriechen.
«Du weißt nicht, wie man damit umgeht. Du hast es vergessen, du hast es vergessen …» Fast beschwörend redete er auf Ruben ein.
Und du, Felipe, weißt auch nicht, dass er tatsächlich der Wilde ist, für den du ihn hältst. Er wird genau das tun – oder Schlimmeres
.
Er zielte auf da Silvas Kopf. Doch dann ruckte der Lauf abwärts. Unwillkürlich erwartete Amely, dass erneut eine Ladehemmung den Schuss verhinderte. Als der Knall kam und da Silvas Körper erbebte, erzitterte auch sie. Ruben warf das Gewehr weit von sich und hockte
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