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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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im Salon. Er musste sich eingestehen, dass er nicht völlig ohne Furcht vor dieser Begegnung war. Die Reise war wie ein Aufschub, den er zugleich hasste und willkommen hieß. Aber schnell waren die Tage vergangen, und er erahnte den Geruch des Hafens, lange bevor der Lärm zu hören sein würde und der Fluss sich mit Unrat füllte. Er beschloss, die Nacht noch abzuwarten. In jener Bucht, in die Amely ihn damals gebracht hatte. Die Gegend hatte sich verändert; der Fluss war geschwollen, doch er entdeckte sie mühelos.
    Etwas war nicht, wie es gewöhnlich sein sollte im Wald. Angespannt verharrte er, mit allen Sinnen wach. Dann begriff er, was ihm merkwürdig vorkam: Töne, die nicht hierhergehörten. Musik. Eine Violine.
    Und ob sie hierhergehören. Hier stand sie und
 …
    Langsam ruderte er zwischen gewaltigen Seerosenblättern und unter querstehenden Weidenzweigen hindurch, über einen grünen Teppich. Dort stand sie. Yacurona im weißen Kleid. Eine dunkelblaue Wolke gebauschten Stoffes lag zu ihren Füßen. Ein Korsett. Als habe sie alles von sich geworfen, nur das seidene Unterkleid anbehalten. Sie stand leicht zur Seite geneigt und spielte hingebungsvoll sein Heil-Lied. So leise wie möglich tauchte er das Paddel ins Wasser. Nur wenige Schrittlängen noch … Der Einbaum knirschte über den Sand. Sie ließ die Geige sinken. Sie sah ihn an.
    Behutsam legte er das Paddel zur Seite. Er blickte zu ihr hoch, kniend auf dem Holz, die Hände auf den Seiten, bemüht, kein lautes Geräusch und keine hastige Geste zu tun, um sie nicht zu verscheuchen. Sogar sein Lärmgeist war völlig still.
    «Ruben», sagte sie kläglich. «Ich habe den Boto immer noch nicht gesehen.»
    Auflachend ließ sie Bogen und Geige fallen. Er sprang aus dem Boot. Sie stürzte in seine Arme.

8. Kapitel
    Seite an Seite saßen sie am Wassersaum. Amely hatte den Arm um seine Mitte, seiner lag um ihre Schultern. Sie dachte, dass es ihm so gehen müsse wie ihr: Sie war sich nicht sicher, dass er wirklich bei ihr war. Sogar ihr Geigenspiel kam ihr jetzt unwirklich vor. Schön hatte es nicht geklungen, eher bockig; die Luftfeuchtigkeit hatte dem Instrument zugesetzt. Was hatte sie überhaupt gespielt? Und warum? Hatte sie ihn wirklich rufen wollen auf indianische Geisterart? Und er hatte sie gehört? Ach, Unsinn. Nur einen Augenblick abtauchen hatte sie wollen, in die Erinnerung an jenen Neujahrstag – so tun, als sei die Zeit zurückgedreht, und blicke sie zur Seite, läge er dort, verletzt, und alles begänne von vorne. Nur kurz sich der Illusion hingeben …
    Gleichgültig war das alles. Wenn es denn jetzt keine Illusion war.
    Bitte, lieber Gott, lass es wahr sein, dass er hier neben mir sitzt und ich seine Haut an meiner spüre. All seine Narben, all sein Leben
. Ihm schien es ebenso zu ergehen. Er zitterte leicht. Unter ihren Fingerspitzen pulsierte das Blut. Vielleicht überlegte auch er, ob er es wagen konnte, etwas zu sagen, ohne dass sie fortflöge wie ein aufgescheuchter Vogel. Amely leckte sich über die Lippen, kämpfte darum, die Frage, die ihr auf der Seele brannte, auszusprechen:
Was tust du hier? Du bist doch nicht gekommen, weil du wusstest, dass ich hier stehe
.
    «Was tust du hier, Amely?», fragte er leise mit belegter Stimme. Er wandte das Gesicht ihr zu. Kupferfarben gebräunt, umrahmt von goldenem Haar. Amely fasste in die Strähnen. Seine Hand legte sich auf ihre, drückte sie an die Wange. «Dort, der Einbaum, ist das deiner, Amely? Amely, Amely …», er strich auch ihr durchs Haar, noch ganz ungläubig. «Du bist fortgelaufen, stimmt’s?»
    «Ja. Irgendwie schon. Eigentlich hat er mich fortgejagt.»
    Er wartete. Er drehte sich auf dem Gesäß, umschlang mit den Beinen ihren Schoß, streichelte weiterhin ihren Kopf und betrachtete sie wie ein Wunder.
    «Ich bin einfach in der Nacht von meinem Schiff ins Wasser gesprungen», sagte sie. Plötzlich kamen die Worte leicht. «Den Einbaum hatte mir Miguel besorgt und am Ufer festgemacht. Erst bin ich ein Stück weggerudert, habe dann gewartet, bis es hell war, und machte dann, dass ich so schnell wegkam, wie ich konnte. Hast du Hunger? Miguel hat mir einen Topf Feijoada eingepackt; ich mag’s nicht. Kilian will sich scheiden lassen, und ich soll in Berlin für den Rest meines Lebens versauern, zur Strafe. Weil ich so töricht war zu glauben, ich könne an seiner Macht kratzen, indem ich dafür sorge, dass anderswo Kautschuk angebaut werden kann.»
    «
Das
hattest du

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