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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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Leichen«, sagte er.
    »Was?«
    Rudi schaute hoch in das dunkle Gesicht, aber Kurt gab keine Antwort. Er hatte den Streit in der Küche bemerkt. »Was ist da drin los?«
    Eins der Mädchen antwortete. Die Jüngste, Bettina. Sie war fünf. »Da sind zwei Ungeheuer«, sagte sie. »Sie sind wegen Rudi gekommen.«
    Wieder einmal das Menschenkind. So viel schlauer.
    Später, als die Mantelmänner gegangen waren, nahmen die beiden Jungen - der eine siebzehn, der andere vierzehn - all ihren Mut zusammen und gingen in die Küche.
    Im Türrahmen blieben sie stehen. Das Licht plagte ihre Augen.
    Kurt sprach. »Nehmen sie ihn mit?«
    Die Unterarme der Mutter lagen flach auf dem Tisch. Ihre Handflächen wiesen nach oben. Alex Steiner hob den Kopf. Er war schwer.
    Sein Ausdruck war scharf und klar umrissen, wie frisch gemeißelt.
    Eine hölzerne Hand wischte die Splitter aus seinen Haaren, und er setzte mehrmals zum Sprechen an.
    »Papa?«
    Aber Rudi ging nicht zu seinem Vater.
    Er setzte sich an den Küchentisch und nahm die himmelwärts gerichteten Hände seiner Mutter.
    Alex und Barbara Steiner verrieten nicht, worüber in der Küche gesprochen wurde, während im Wohnzimmer die Dominosteine fielen wie Leichen. Wenn Rudi bloß noch ein paar Minuten länger an der Tür gelauscht hätte ...
    In den folgenden Wochen redete er sich ein - oder besser gesagt: er flehte sich selbst an -, dass er, wenn er den Rest des Gesprächs an jenem Abend gehört hätte, viel früher in die Küche gegangen wäre. »Ich werde gehen«, hätte er gesagt. »Bitte, nehmen Sie mich mit. Ich bin bereit.«
    Wenn er sich eingemischt hätte, hätte er alles verändern können.
    DREI MÖGLICHKEITEN
    1 . Alex Steiner hätte nicht die gleiche Strafe ereilt wie Hans Hubermann.
    2. Rudi hätte Molching verlassen und wäre in eine andere Schule gegangen.
    3. Und vielleicht, nur vielleicht, hätte er überlebt.
    Aber die Grausamkeit des Schicksals gestattete es Rudi Steiner nicht, im richtigen Moment die Küche zu betreten.
    Er hatte sich seinen Schwestern und den Dominosteinen zugewandt. Er setzte sich.
    Rudi Steiner ging nirgends hin.
    die überlegung, wie rudi nackt aussieht
    Da war eine Frau gewesen.
    Sie hatte in der Ecke gestanden.
    Sie hatte den dicksten Zopf, den er je gesehen hatte. Er seilte sich über ihren Rücken ab, und gelegentlich, wenn sie ihn über die Schulter nach vorne legte, hing er wie ein überfüttertes Tier zwischen ihren kolossalen Brüsten. Alles an ihr schien überdimensional. Ihre Lippen, ihre Beine. Ihre gepflasterten Zähne. Sie hatte eine große, unverblümte Stimme. Keine Zeit zu verlieren. »Komm«, befahl sie ihm. »Stell dich hier hin.«
    Verglichen mit ihr, war der Arzt ein kahl werdendes Nagetier. Er war klein und behände und hastete in dem Büro mit scheinbar besessenen und doch gezielten Bewegungen herum. Und er war erkältet.
    Es war schwer zu sagen, welcher der drei Jungen sich am zögerlichsten seiner Kleidung entledigte, als man es ihnen befahl. Der erste schaute von einem zum anderen, von dem ältlichen Lehrer zu der riesenhaften Krankenschwester und dann zu dem zwergenhaften Arzt.
    Der in der Mitte blickte lediglich auf seine Füße, und der ganz links dankte allen Heiligen, dass er sich in einem Schulbüro und nicht in einer dunklen Gasse befand. Die Schwester, so fand Rudi, war ein wahrer Kinderschreck.
    »Wer ist der Erste?«, wollte sie wissen.
    Der beaufsichtigende Lehrer, Herr Heckenstaller, antwortete ihr. Er war mehr ein schwarzer Anzug als ein lebendiger Mann. Sein Gesicht bestand aus einem Schnurrbart. Er warf einen prüfenden Blick auf die Jungen und traf eine schnelle Entscheidung.
    »Schwarz.«
    Der unglückliche Jürgen Schwarz zog mit sichtlichem Unbehagen die Uniform aus. Seine Schuhe und seine Unterhosen behielt er an. Eine vergebliche Bitte hatte sich auf seinem Gesicht festgehakt.
    »Und?«, sagte Herr Heckenstaller. »Die Schuhe?«
    Er zog Schuhe und Socken aus.
    »Die Unterhose auch«, sagte die Krankenschwester.
    Sowohl Rudi als auch der andere Junge, Olaf Spiegel, hatten währenddessen angefangen, sich ebenfalls auszuziehen, aber sie waren noch weit von dem entwürdigenden Zustand entfernt, in dem sich Jürgen Schwarz befand. Der Junge zitterte. Er war ein Jahr jünger als die beiden anderen, aber größer. Als seine Unterhose fiel, stand er nur mit bitterer Scham bekleidet in dem kleinen, kalten Büro. Seine Selbstachtung schlotterte ihm um die Fußgelenke.
    Die Krankenschwester betrachtete

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