Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
herstellen. Wir können davon Tausende in einer Woche anfertigen. Und wie man sieht, erfüllen sie ihren Zweck.«
»Die Spitze ist verbogen«, stellte Will kritisch fest und fuhr mit der Hand über die Eisenspitze.
»Aber sie kann ganz einfach gerade gebogen und erneut benutzt werden«, antwortete der General. »Und das ist sogar ein Vorteil. Wenn einer dieser Speere einen feindlichen Schild durchbohrt, bleibt die Spitze stecken. Dabei verbiegt sie sich, sodass der Schaft auf dem Boden schleift. Versucht einmal, ordentlich zu kämpfen, wenn ein mannshoher Holzstab samt Eisen an Eurem Schild herunterhängt. Ich versichere Euch, das ist nicht gerade einfach.«
Will schüttelte bewundernd den Kopf. »Das ist alles sehr durchdacht, nicht wahr?«
»Es ist eine vernünftige Lösung, wenn man große Streitkräfte benötigt«, erklärte Sapristi. »Stellt man einen dieser Legionäre in einem Zweikampf gegen einen geübten Kämpfer, würde er höchstwahrscheinlich verlieren. Aber gebt mir hundert Männer, die von mir sechs Monate gedrillt werden, und ich stelle sie ohne zu zögern gegen eine gleiche Anzahl erfahrener Soldaten auf, die ihr Leben lang den Einzelkampf geübt haben.«
»Also ist das die Gesamtheit, die erfolgreich ist, nicht der Einzelne?«, sagte Will.
»Genau«, bestätigte Sapristi. »Und bislang hat niemand einen Weg gefunden, uns in einer Schlacht zu besiegen.«
»Wie würdet Ihr es tun?«, fragte Walt Selethen an diesem Abend. Die Verhandlungen waren abgeschlossen, man hatte sich geeinigt und die Verträge unter Zeugen unterschrieben. Es hatte ein offizielles Bankett gegeben, um dieses Ergebnis zu feiern, einschließlich Reden und Komplimenten auf beiden Seiten. Jetzt entspannten sich Selethen und die Gruppe aus Araluen im Quartier der Araluaner. Es war ihr letzter Abend zusammen, da der Wakir früh am nächsten Morgen abreisen würde. Selethen hatte vom Gastgeschenk Kafay eine zusätzliche Portion mitgebracht und genoss nun zusammen mit Will und Walt das beliebte Getränk. Niemand, dachte Will, macht so guten Kaffee wie die Arridi.
Alyss saß am Kamin und musste über die drei lächeln. Auch sie mochte Kaffee, doch für die Waldläufer und anscheinend auch die Arridi war das Kaffeetrinken beinahe schon so etwas wie eine rituelle Handlung. Sie selbst genoss im Augenblick ein Erfrischungsgetränk aus Zitrone.
»Ganz einfach«, sagte Selethen. »Ich würde dafür sorgen, dass sie nie die Bedingungen wählen können. Wie Sapristi sagte, wurden sie noch nie in einer offenen Schlacht besiegt. Also muss man findig sein. Man muss sie erwischen, wenn sie in Bewegung und noch in Reih und Glied sind, muss sie mit schnellen, kurzen Angriffen in den Flanken treffen, bevor sie ihre Verteidigungsformation annehmen können. Oder man geht mit schweren Geschützen gegen sie vor. Diese starre Formation gibt ein sehr leichtes Ziel ab. Trifft man es mit schweren Bolzen aus einer Wurfmaschine oder Steinen aus einem Katapult, bekommt es bald Löcher. Und sobald die Formation ihren Zusammenhalt verliert, ist sie nicht mehr so beeindruckend stark.«
Walt nickte. »Ja«, sagte er. »Man darf sie niemals direkt von vorne angreifen. Wenn man hinter ihnen unbemerkt einen Trupp Bogenschützen in Stellung brächte, wäre ihre Schildkrötenformation recht angreifbar. Aber natürlich«, fuhr er fort, »verlassen sie sich darauf, dass der Feind vor Wut und Ungeduld brennt, wenn er in ein Land einmarschiert. Nur sehr wenige Armeen würden die Geduld aufbringen, eine Schlacht in Bewegung zu halten, um den Gegner über einen längeren Zeitraum zu schwächen. Und welcher Herrscher wäre schon in der Lage, seine Männer von einem derartigen Vorgehen zu überzeugen.«
»Und wir haben ja gesehen, was passiert, wenn man einem solchen Gegner gegenübersteht«, sagte Will. »Diese Speere können Schlimmes anrichten.« Die beiden anderen nickten.
»Ihr Einsatzbereich ist allerdings sehr gering«, überlegte Selethen. »Er reicht nicht weiter als auf dreißig oder vierzig Schritte.«
»Aber auf diese Entfernung ist er tödlich«, stellte Walt fest.
»Mir scheint«, warf Alyss munter ein, »dass die beste Taktik zunächst einmal die Verhandlung wäre. Beratschlagen statt kämpfen. Diplomatie statt Waffen.«
»Gesprochen wie eine wahre Diplomatin«, sagte Walt und schenkte ihr eines seiner seltenen Lächeln. Er mochte Alyss und ihre Verbindung mit Will verstärkte diese Sympathie noch. Sie beugte gespielt bescheiden den Kopf. »Aber was,
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