Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
wenn Diplomatie versagt?«, fügte er dann hinzu.
Alyss nahm die Herausforderung ohne Zögern an. »Dann kann man es immer noch mit Bestechung versuchen«, erwiderte sie. »Ein Säckchen Gold in den richtigen Händen kann mehr erreichen als eine Armee mit Schwertern.« Ihre Augen blitzten, als sie das sagte.
Selethen schüttelte bewundernd den Kopf. »Eure araluanischen Frauen würden gut in mein Land passen«, sagte er. »Lady Alyss’ Verhandlungsgeschick ist bemerkenswert.«
»Ich erinnere mich, dass Ihr vom Verhandlungsgeschick der Prinzessin nicht so begeistert wart«, erwiderte Walt.
»Ich muss zugeben, dass ich in ihr eine ebenbürtige Gegnerin gefunden hatte«, gestand Selethen mit einem leichten Seufzer. Bei ihrer letzten Begegnung hatte er versucht, Evanlyn beim Handel um das Lösegeld für Oberjarl Erak übers Ohr zu hauen. Die Prinzessin hatte sich jedoch in keinster Weise übervorteilen lassen, sondern ihn geschickt in seine Schranken verwiesen.
Alyss runzelte die Stirn. Sie gehörte nicht gerade zu den größten Bewunderern der Prinzessin. Aber sie nahm sich sofort zusammen und lächelte wieder.
»Frauen können gut verhandeln«, sagte sie. »Wir ziehen es vor, die schweißtreibenden, unangenehmen Einzelheiten einer Schlacht Leuten zu überlassen, die …«
Sie wurde von einem leisen Klopfen an der Tür unterbrochen. Da dies eine diplomatische Mission war, war es Alyss, die den Vorsitz über die Gruppe aus Araluen hatte. »Herein«, rief sie und fügte dann etwas leiser zu den anderen hinzu: »Wer kann das? Es ist etwas spät für Besucher.«
Die Tür wurde geöffnet und einer der Dienstboten trat ein. Er blickte sich nervös um, als er merkte, dass er eine Unterhaltung zwischen diesen wichtigen und berühmten Leuten störte.
»Bitte um Entschuldigung, Lady Alyss«, begann er unsicher.
Sie winkte ab. »Schon in Ordnung, Edmund. Ich nehme an, es ist wichtig?«
Der Dienstbote schluckte. »Das könnte man wohl sagen, Mylady. Kronprinzessin Cassandra ist angekommen und möchte die Delegation aus Araluen sprechen.«
Vier
Nihon-Ja
D er Wind hatte aufgefrischt, seit sie am Vortag den Sommerpalast des Kaisers verlassen hatten. Mittlerweile fuhren beißende Böen durchs Tal, während die Reiter vorsichtig den schmalen Pfad entlang ritten, der sich zwischen den beiden Hügeln hindurchschlängelte, die das Tal einschlossen. Die Bäume um sie herum schienen ohne Unterlass auf eine Seite gedrückt zu werden, so unnachgiebig wehte der Wind. Horace zog seinen Kragen aus Schafsfell etwas höher über die Ohren und genoss die zusätzliche Wärme.
Er blickte hoch. Der Himmel war von einem strahlenden Eisblau, doch es bildeten sich bereits schwere graue Wolken, die Schatten über die Landschaft warfen. Im Süden konnte er die dunkle Linie eines dichten Wolkenbands erkennen. Er schätzte, dass es sie wohl am frühen Nachmittag erreichte und dass es wahrscheinlich viel Regen mit sich brächte. Sollte er vorschlagen, ein Lager zu errichten, bevor zu dem heftigen Wind auch noch Regen hinzukäme? Es gab keinen Grund für übermäßige Eile – der Hafen von Iwanai befand sich in nicht allzu großer Entfernung – und der Gedanke, Zelte in einem heftigen Regenguss aufzustellen, war nicht gerade verlockend. Es war besser, sie aufzustellen, solange noch alle trocken waren, um dann während des schlechten Wetters dort Schutz zu finden.
Der Pfad, dem sie folgten, verbreiterte sich auf einer Strecke von etwa hundert Schritten. Sofort ließ Horace sein Pferd schneller gehen, um neben dem Kaiser zu reiten, der sich unmittelbar vor ihm befand. Shigeru, der tief in seinen Fellmantel gehüllt war, hob den Kopf. Er blickte vielsagend zu den Wolken, schnitt eine Grimasse und zuckte mit den Schultern.
Horace zog seinen Kragen nach unten, um besser reden zu können, und spürte sofort den eisigen Biss des Windes im Gesicht.
»Denkt Ihr, es könnte auch schneien?«, fragte er und hob die Stimme, um das unablässige Pfeifen des Windes zu übertönen.
Shigeru blickte noch einmal zum Himmel und schüttelte den Kopf. »Dafür ist es noch zu früh. In ein oder zwei Wo chen wird es vielleicht leichten Schneefall geben, aber der erste richtige Schnee wird wohl erst in etwa einem Monat fallen. Doch bis dahin sind wir weit weg.« Er blickte wieder zu der Wolkenfront.
»Es gibt jedoch jede Menge Regen«, fuhr er fröhlich fort.
Horace grinste. Es gab kaum etwas, was Shigeru aus der Ruhe bringen konnte. Viele Herrscher hätten sich
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