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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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verheiraten werde, und wenn das auch nicht publiziert sei, so habe doch die Verlobung stattgefunden und die Sache sei perfekt. Am andern Tage traf ich Lisaweta Nikolajewna, die in Begleitung Mawriki Nikolajewitschs zum erstenmal nach ihrer Krankheit ausritt. Sie blitzte mich von weitem mit ihren Augen an, lachte und nickte mir sehr freundschaftlich zu. All dies erzählte ich Stepan Trofimowitsch; aber er schenkte nur der Nachricht über Lebjadkins einige Aufmerksamkeit.
    Nachdem ich so unsere rätselhafte Lage während der acht Tage, wo wir noch nichts wußten, geschildert habe, will ich jetzt an die Erzählung der folgenden Ereignisse gehen, und zwar sozusagen schon mit Kenntnis des ganzen Sachverhaltes, wie er sich jetzt enthüllt und herausgestellt hat. Ich beginne mit dem achten Tage nach jenem Sonntage, das heißt mit Montagabend; denn mit diesem Abend beginnt in Wirklichkeit eine neue Geschichte.
     
Fußnoten
     
    1 In dem Roman »Väter und Söhne«.
    Anmerkung des Übersetzers.
     
    2 In Gogols Roman »Tote Seelen«.
    Anmerkung des Übersetzers.
     
     
III.
    Es war sieben Uhr abends. Nikolai Wsewolodowitsch saß allein in seinem Zimmer. Gerade in diesem hatte er schon früher gern gewohnt; es war hoch, mit Teppichen belegt und mit etwas schwerfälligen, altmodischen Möbeln ausgestattet. Er saß in einer Ecke auf dem Sofa, wie zum Ausgehen gekleidet, schickte sich aber, wie es schien, nicht dazu an. Auf dem Tische vor ihm stand eine Lampe mit einem Lichtschirm. Die Seiten und Ecken des großen Zimmers blieben im Schatten. Sein Blick war nachdenklich und auf einen Punkt gerichtet, aber nicht ganz ruhig, sein Gesicht müde und etwas abgemagert. An einer geschwollenen Backe hatte er tatsächlich gelitten; aber das Gerücht von einem ausgeschlagenen Zahne war übertrieben gewesen. Der Zahn hatte nur gewackelt, war aber nun wieder fest geworden; auch die Oberlippe war auf der Innenseite gespalten gewesen; aber auch das war schon geheilt. Die Geschwulst aber war nur deswegen die ganze Woche über nicht vergangen, weil der Kranke sich nicht dazu hatte verstehen mögen, einen Arzt zu nehmen und sie rechtzeitig schneiden zu lassen, sondern gewartet hatte, bis das Geschwür von selbst aufging. Er hatte nicht nur keinen Arzt genommen, sondern auch die Mutter kaum zu sich hereingelassen, nur auf einen Augenblick, einmal am Tage und durchaus nur in der Dämmerung, wenn es schon dunkel geworden, aber noch kein Licht angezündet war. Auch Peter Stepanowitsch hatte er nicht empfangen, der doch, solange er in der Stadt war, täglich zwei- oder dreimal zu Warwara Petrowna herangekommen war. Nun war dieser endlich Montag morgen nach dreitägiger Abwesenheit wieder zurückgekehrt und erschien, nachdem er in der ganzen Stadt umhergelaufen war und bei Julija Michailowna zu Mittag gespeist hatte, am Abend endlich bei Warwara Petrowna, die ihn ungeduldig erwartete. Das Verbot war aufgehoben; Nikolai Wsewolodowitsch empfing wieder Besuch. Warwara Petrowna führte den Gast selbst an die Tür ihres Sohnes; sie hatte schon lange gewünscht, daß die beiden einander wiedersehen möchten, und Peter Stepanowitsch hatte ihr versprochen, von Nikolai nachher wieder zu ihr heranzukommen und ihr Bericht zu erstatten. Schüchtern klopfte sie bei Nikolai Wsewolodowitsch an, und da sie keine Antwort erhielt, wagte sie es, die Tür eine Handbreit zu öffnen.
    »Nikolai, darf Peter Stepanowitsch zu dir hereinkommen?« fragte sie leise und ruhig und bemühte sich, ihren Sohn hinter der Lampe zu erkennen.
    »Er darf, er darf, natürlich darf er!« rief Peter Stepanowitsch selbst laut und in heiterem Tone, öffnete mit eigener Hand die Tür und trat ein.
    Nikolai Wsewolodowitsch hatte das Klopfen an der Tür nicht gehört gehabt, sondern nur die schüchterne Frage der Mutter, fand aber keine Zeit mehr, darauf zu antworten. Vor ihm lag in diesem Augenblicke ein Brief, den er soeben durchgelesen hatte, und über den er ernstlich nachdachte. Er fuhr zusammen, als er plötzlich Peter Stepanowitschs laute Worte hörte, und verbarg schnell den Brief unter einem Briefbeschwerer, der ihm gerade in die Hand kam; indes gelang ihm dies nicht vollständig: eine Ecke des Briefes und fast das ganze Kuvert schauten darunter hervor.
    »Ich habe absichtlich aus voller Kehle geschrien, damit Sie Zeit hätten sich vorzubereiten,« flüsterte Peter Stepanowitsch eilig mit erstaunlicher Naivität, lief zum Tische hin und richtete seine Blicke im Nu auf den

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